Zukunftsfragen am Flughafen
TOIHAUS / ANTIPODEN
03/12/14 Eine schräge sprachlich-musikalische Zukunftsvision malt Hüseyin Evirgen in seinem neuen Stück „Antipoden“ im Toihaus. Der türkischstämmige Techno-Künstler und Komponist einen Mann und eine Frau mit vielen offenen Fragen in einem futuristischen Flughafen aufeinandertreffen.
Von Christoph Pichler
Dem Zeitsprung in die angeblich gar nicht so ferne Zukunft geht allerdings erst noch ein Abstecher in eine mythische Zwischenwelt voraus. So eröffnet dröhnendes Pochen das Stück. Am Boden ein sich windender Mann im Kreuzritter-Look, über ihm eine Frau im dunklen Umhang. Ehe es zu einem echten Kontakt zwischen den beiden kommen kann, folgt aber bereits der Schnitt in die Science-Fiction-Phantasie. Auch hier beschäftigen sich die beiden erst nur mit sich selbst und noch viel mehr mit ihren elektronischen Kommunikationsgeräten. Während der Mann eifrig durch seine Nachrichten am Datenhandschuh wischt, erteilt die Frau per Headset Kauf- und Löschbefehle. Bald nähern sich die beiden aber an und beschließen, sich zu „syncen“ und dadurch gegenseitig ihre Geheimnisse offenzulegen. Allerdings wirft diese neue Nähe mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt: Sind sich die beiden wirklich noch nie begegnet oder teilen sie mehr als eine gut 8.000 Jahre währende Geschichte? Hat ihre Liebe eine gemeinsame Zukunft, Gegenwart oder Vergangenheit? Werden sie jemals diesen Wartesaal verlassen? Und welche Rolle könnte dabei die Androidin spielen, die sich mit ihren angestammten Aufgaben nicht mehr zu begnügen scheint?
Es ist eine seltsame Welt, in der Sarah Born und Tobias Ofenbauer aufeinandertreffen. Kalt und rein funktionell mit Sitzquadern ausstaffiert, bietet sie den beiden kaum Orientierung, aber zumindest einen schönen Ausblick – worauf auch immer. Im selben schlichten, aber effektiven Stil hat Bühnenbildnerin Sigrid Wurzinger die Kostüme gehalten, wobei vor allem das in glänzendem Schwarz-Weiß gehaltene Kleid der schicken Dame ein veritabler Hingucker ist. Passend zur verrätselten Welt agieren auch die beiden sprechenden Schauspieler und Yoko Yagihara als stumme Performerin im Hintergrund. Nie ist vollends klar, was sie bewegt oder bewegen wollen. Dennoch berühren ihre Versuche, sich (wie das Publikum) irgendwie in ihrer Welt zurechtzufinden.
Hüseyin Evirgen nennt seine bereits dritte Regiearbeit ein „erweitertes Musikstück“, wobei er selbst zugeben muss, dass der Textanteil im Zuge der gemeinsamen Erarbeitung mit den Schauspielern doch etwas überhandgenommen hat. So übernimmt die elektronische Komposition eher die Funktion einer filmmusikalischen Begleitung und ist oft nur als grummelnde Grundierung oder gar nicht mehr vernehmbar. Im Zusammenspiel mit Bühne, Kostümen und Performern lässt sie allerdings eine ebenso komplexe wie stimmungsvolle Scifi-Welt entstehen, deren Besuch sich auf jeden Fall lohnt – auch wenn man sie wieder mit vielen offenen Fragen verlässt.