Tränensäcke, so groß wie Einkaufssackerl
KLEINES THEATER / WILDE ORCHIDEEN
30/09/14 Ein „normaler“ Verkehrsunfall, da die Verursacherin, dort die Verunglückte. Wunden aber auf beiden Seiten, und die sind nicht nur mit elastischen Fatschen und Pflastern zu behandeln. Da bedarf es schon härterer Bandagen…
Von Ursula Trojan
Eine Frau stolpert auf die Bühne. Sie trägt eine andere (im Fahrraddress) huckepack. Stöhnen, Jammern, Schmerzensschreie. Eine gewisse Beziehung ist entstanden zwischen zwei weiblichen Wesen, indem die eine der anderen vor die Autoreifen gefallen ist. Die Lädierte hat noch den Gummiabrieb zwischen den Zähnen und spuckt um sich… Bei der kurzen Rekonvaleszenz im Hause der PKW-Besitzerin kristallisiert sich heraus, dass die Verunfallte gar nicht so schlecht drauf ist und irgendetwas unter ihrem Helm im Schilde führt. Und wie zuvor die Räder der beiden Damen rollten (und überrollten), kommt schön langsam auch der Stein des Geschehens ins Trudeln: wer ist denn da die Täterin, wer Opfer?
Nach dem Stück „Möwe und Mozart“ ließ sich das Theater Laetitia auf ein weiteres Werk von Peter Limburg ein und brachte am Samstag „Wilde Orchideen“, eine „spritzige Komödie mit Tiefgang“ im Kleinen Theater zur Uraufführung. Anna ist die ältere der beiden Protagonistinnen. Verletzt in ihren Gefühlen, sich selbst als „Pinguin“ bezeichnend, wehrt sie sich jedoch vehement gegen die Titulierung „farblose Glucke“. Margot Maria Paar verleiht dieser ihrer Figur Flügel (und die sind wahrlich länger als die des genannten Südpolvogels) und bietet ein quicklebendiges Spiel mit Pointen wie am Fließband. Monika Müksch, die „Widersacherin“, lässt sich ganz auf ihre buntschillernde „Papagei“-Rolle ein und flattert als Gründerin der Künstleragentur „Orchidee“ geschäftig durch die Handlung. Es geht in diesem Stück zentral auch ums Älterwerden, Resignieren und das Thema „Was kommt noch?“, Galgenhumor und keimende Hoffnungen konkurrieren beständig. Was soll man denn tun, wenn die Tränensäcke so groß geworden sind, dass man sie als Einkaufssackerl verwenden könnte? Nach und nach entwickeln die zwei wahrlich energiegeladenen Frauen Strategien für künftige Möglichkeiten.
Für die Regie dieses feminin-floralen Erlebnisses zeichnet Marion Hackl verantwortlich. Sie lässt Anna und die jüngere Christine zudem alle Umbauten auf offener Bühne so bewerkstelligen, dass man jedes Mal lustvolle Neugierde auf die nächste Szene bekommt.
Das Ende des Stücks wirkt im Gegensatz zu seinen turbulenten Geschehnissen und dem Pointenreichtum davor etwas luftleer und platt, wirkt sich aber nicht weiter störend auf den schwungvoll-gelungenen Abend aus.