Doktor, lass mich sterben
LANDESTHEATER / BÜRGERBÜHNE IM KRANKENHAUS / GESUNDHEIT!
16/05/14 Lars von Trier fällt einem ein. Und das ist nun echt ein Kompliment. Im „Hospital der Gespenster“ geht es zwar viel absurder zu. Aber Franz Kafkas Erzählungen „Die „Verwandlung“ der „Ein Landarzt“ geben der Produktion „Gesundheit!“ ein unheimliches und tragfähiges Rückgrat. Die aufgelassene Gefäßchirurgie im Landeskrankenhaus ist ein mehr als authentischer Spielort.
Von Heidemarie Klabacher
Eine mürrische Schwester empfängt die Gruppe und begleitet sie im Lift hinauf in die Station im dritten Stock. Im Gang geht es gerade turbulent zu. Zahlreiche Besucher – das Publikum in Kleingruppen nach farbigen Armbändchen sortiert – warten vor den einzelnen Krankenzimmern. Schwestern wuseln, ein Arzt bahnt sich mit wehendem weißem Mantel seinen Weg.
Dann der Aufruf durch die Schwester an die Gruppe „pink“: „Folgen sie mir.“
In der Enge von Zimmer 308 der ehemaligen Gefäßchirurgie der SALK erleben wir, wie Gregor Samsa im Badezimmer erste Anzeichen seiner „Verwandlung“ an sich entdeckt. Ist das Karposi-Sarkom? Jedenfalls haben die Schminkmeisterinnen des Landestheaters ganze Arbeit geleistet. Echt grausig - und wirkt, wenn später der Doktor und die Schwestern ihre unwillige Pflegearbeit tun werden, unangenehm überzeugend.
Die Verwandlung Gregor Samsas ist der rote Faden, der die Szenen der jüngsten Produktion der Bürgerbühne des Landestheaters miteinander verbindet. Er beginnt und endet im Krankenzimmer. Im Gang spielen die weiteren Gregor-Szenen. In den einzelnen Krankenzimmern werden in kurzen Dramoletten Streiflichter auf die Schicksale einzelner Kranker und Sterbender geworfen. In einem Zimmer liegen freilich Computerbildschirme im Bett: Man begleitet eine „Userin“ auf ihrem Weg durch ein Krebs-Forum. Die Absurdität, im Falle schwerster Krankheit ausgerechnet im Internet Hilfe zu suchen, wird drastisch deutlich gemacht.
„Gesundheit!“ in der Regie von Astrid Großgasteiger changiert zwischen den literarisch abstrakten Kafka-Szenen und den Streiflichtern auf konkret aktuelle Erlebnisse und Erfahrungen von Menschen mit dem Klinikalltag. Diese Szenen haben die Mitglieder der Bürgerbühne unter der Anleitung des Drehbuchautors Christoph Busche verfasst. Die meisten Texte sind Monologe, etwa Briefe von Patienten, die quasi im Schreiben vor sich hin gelesen werden oder ausgesprochene Gedanken von Besuchern an den Krankenbetten ihrer Angehörigen. Im ehemaligen Schwesternzimmer feilt eine vom Dienst suspendierte Schwester an einer Sachverhaltsdarstellung.
Viele Facetten des Gesundheitswesens werden vor den Publikums-Kleingruppen in den einzelnen Zimmern also kritisch aufgerollt. Im Gang trifft man aufeinander und erlebt gemeinsam die Samsa-Szenen. Die Logistik mit Kleingruppen und zeitversetztem Spielbeginn für die einzelnen Gruppen ist ausgefeilt. Als Mitglied einer der letzten Gruppen bewegt man sich dann durch die fast leere Station. Unheimlich.
Wieder arbeiten Profischauspieler mit Amateurdarstellern zusammen: Paul Maresch als Gregor Samsa, Diana Marie Müller als Grete Samsa und Walter Sachers als Prokurist bzw. Professor spielen die dramatisierte „Verwandlung“. Der als Vortrag des Professors angelegte Monolog aus „Ein Landarzt“ hat die Schilderung der tiefen Wunde des Knaben zum Inhalt. Das macht – zusammen mit den wuselnden Insekten auf der Videozuspielung – gruseln.
Viele aktuelle Probleme – von Pflegenotstand bis Sterbebeleitung – werden angesprochen. Eine spannende gut gemachte Produktion.