Keine Arbeit vor lauter Arbeits-Anfall
ARGEkultur / KASPAR HÄUSER MEER
13/05/14 Sie hat mit „Kaspar Häuser Meer“ einen Nerv der Zeit getroffen, die deutsche Autorin Felicia Zeller. Kein Wunder, dass sie mit dem 2007 entstandenen Theatertext gut landete. Das Stück wird seither landauf, landab im deutschen Sprachraum gespielt. Nun auch in Salzburg.
Von Reinhard Kriechbaum
Das „theater:direkt“ und ARGEkultur haben es gemeinsam produziert, Michael Kolnberger hat Regie geführt. Ins ARGE-Studio hat Arthur Zgubic ein schwarzes Podest mit einer Überfülle an Aktenordnern gebaut. Die drei Damen, Jugend-Sozialarbeiterinnen, sind ja echte Schreibtischtäterinnen. Auf sie prasselt eine Überfülle an Arbeit ein, der einzige männliche Kollege ist wegen Burnout ausgefallen. Die Zettel flattern von oben auf den Boden, die Telefone an den drei Schreibtischen klingeln, und die Handys natürlich auch. Aller Hyper-Betriebsamkeit zum Trotz: Zu Arbeit kommen die drei nicht vor lauter Arbeits-Anfall. Eher sind sie mit Schreibarbeit befasst, schließlich gehört alles genau schriftlich fetsgehalten, um nur ja nicht in den Verdacht zu geraten, irgendetwas falsch gemacht zu haben.
Die drei bienenfleißigen, aber hoffnungslos überforderten Dienstleisterinnen in der sozialen Tretmühle stehen jedenfalls für eine durchverwaltete, scheinbar – wohlgemerkt: zum äußeren Schein! – perfekt organisierte Beamtinnen-Welt, in der gewiss alles nur zum Allerbesten der Menschen geschieht. Dass eine der drei Frauen der Belastung nur mit dem Griff zur Flasche beizukommen glaubt, dass die Ältere, Erfahrenere immer nur abgeklärte Halbsätze von sich gibt – das wiegt beides weniger schwer als die Lage der Dritten: Sie vergisst ob des Eifers um die Obsorge und das Wohlergehen fremder Kinder doch glatt aufs eigene, das längt im Kindergarten abzuholen wäre.
Elisabeth Breckner, Anna Paumgartner und Christiane Warnecke sind die drei, die ihre Wortkaskaden in diesem absonderlichen Zirkus des zum Scheitern verurteilten Wohlmeinens perfekt synchronisiert absondern und dabei sogar noch ziemlich plausible Figuren aus Fleisch und Blut bleiben. Man kann sich in sie als Zuschauer gut hineindenken. Das ist nicht unwichtig, denn – bei allem Respekt für den Erfolg von „Kaspar Häuser Meer“ – ist der Textja doch über weite Strecken artifizielle Wortdrechslerei. Ein in sprach-artistischen Kleidern sich tarnender Bestseller.
Respekt also vor dieser Aufführung, die auch per Video (von Piet Six) Akzente bekommt. Die drei Frauen fühlen sich in ihrer Betriebshektik wie im Freiflug, der finale Flugzeug-Crash auf der Video-Leinwand sieht in der Bodenstation des Sozialwesens natürlich anders aus als in den Lüften.