Kinder halten fest zusammen
LANDESTHEATER / DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU
12/05/14 Fast wäre einigen Kindern ein „Buh“ ausgekommen. Nicht, weil Werner Friedl einen schlechten Tag gehabt hätte. Als Darsteller des Vertreters einer schwarzen Pädagogik – wie wir sie hoffentlich nur noch aus Untersuchungsberichten historischer Kommissionen kennen – war er nur zu überzeugend. Umso mehr geliebt hat das junge Premierenpublikum Christoph Wieschke als „Monsieur Mathieu“ – und natürlich dessen Kinder.
Von Heidemarie Klabacher
Gemeinsames Singen und Musizieren fördert die Sozialkompetenz, das Gemeinschaftsgefühl und das Verantwortungsbewusstsein junger Menschen. Das wissen wir in der Gegenwart spätestens seit den Untersuchungen eines Hans Günther Bastian. „El sistema“ in Venezuela ist weltweit eines der wohl spektakulärsten und erfolgreichsten humanitär-künstlerischen Projekte, die auf die Kraft der Musik bauen. Die El Sistema-Orchester und -Ensembles bringen das Publikum und die Säle elitärer Festivals zum Toben und zum Beben. Einzelne junge Musiker der ersten El Sistema-Generation sind inzwischen Weltstars, die Stars der nächsten Generationen gehen inzwischen ebenfalls auf.
Das funktioniert auch im kleineren Maßstab: Ein Heim für Schwererziehbare, ein unmenschlicher Direktor, Verweigerung, Aggression und Gewalt. Dann kommt ein arbeitsloser Musiker als Hilfslehrer und Aufseher daher. Er lockt die Jugendlichen nicht mit Schlägen und Karzer (wir halten kurz nach dem Krieg) auf den Weg des Besseren, sondern mit Musik und Gesang.
Klingt wie ein Märchen – und hat auch schon im berühmten Film aus 2004 nur bedingt funktioniert. Aber immerhin hat es funktioniert: Monsieur Mathieu hat den Haufen von der Gesellschaft abgeschriebener Kinder und Jugendlicher zum Singen und einen wunderbaren Chor auf die Bühne gebracht.
Marco Dott hat den gleichnamigen vielfach ausgezeichneten Spielfilm von Christophe Barratier und Philippe Lopes-Curval (der seinerseits auf einem Film aus dem Jahre 1945 und einigen historischen Tatsachen basiert) für die Bühne bearbeitet. Wolfgang Götz hat die musikalische Fassung für „seinen“ Salzburger Festspiele und Theater Kinderchore erstellt.
Das Ergebnis ist ebenso bewegend, wie vergnüglich – und als „Chorkonzert mit Theater“ war die Premiere am Sonntag (11.5.) im Landestheater geradezu ein Erlebnis. Die Kinder und Jugendlichen des Salzburger Festspiele und Theater Kinderchores singen glockenrein und kraftvoll, homogen sowohl innerhalb der einzelnen Stimmgruppen, als auch im Gesamtchor.
Das wäre auch „so“ schon eine hervorragende musikalische Leistung. Dazu kommt aber noch, dass die Solisten und die Gruppe der schauspielenden Kinder und Jugendlichen eben auf der Bühne – und die weiteren Chormitglieder im Orchestergraben und in den Proszeniumslogen aufgestellt sind. Chorleiter Wolfgang Götz koordiniert als musikalischer Leiter die Gruppen perfekt. Voller, klarer und dabei überaus klangfarbenreicher Chorklang quasi in dolby-surround ist das Ergebnis.
Begleitet wird der Chor – es gibt aber auch die eine oder andere wunderbare acapella-Nummer – vom Jugendorchester des Salzburger Landestheaters, ebenfalls einstudiert von Wolfgang Götz. Regie führt Marco Dott: Die Kinder und Jugendlichen bewegen sich und sprechen vollkommen natürlich. Man meint, wie ein Zaungast in die Klassen und Gänge zu blikcken, über eine der hohen grauen Mauern hinweg, mit denen Ausstatterin Katja Schindowski die gefängnisartige Schule andeutet. Christoph Wieschke spielt den Lehrer mit Flausen Clément Mathieu: Er dosiert die Emotionen genau. Regisseur Marco Dott gelingt es, zu bewegen, ohne in Sentimentalität oder Sozialkitsch abzudriften.