Apokalypse vor der Haustür
ARGEKULTUR / THEATERVEREIN JANUS / NACH DEM ENDE
11/04/14 Albert Einstein meinte einst, es gäbe nicht den leisesten Hinweis darauf, dass nukleare Energie jemals vom Menschen erreicht werden könne. Wir wissen: Das Genie irrte. „Nach dem Ende“ von Dennis Kelly ist ein düsteres Schauspiel, das in seiner packenden Finesse an Filmprojekte wie „Der erste Tag“ von Andreas Prochaska nahtlos anschließt und doch so viel mehr an aktuellen Themen in sich birgt.
Von Stefan Reitbauer
Nach dem Ende geht das Leben weiter. Mark schleppt seine bewusstlose Kollegin Louise in seinen hauseigenen Atombunker. Terroristen haben mit einer Atombombe alles in Schutt und Asche gelegt. Mark liebt seine Kollegin, seit sie sich kennen gelernt haben. Bisher hat er ausschließlich Zurückweisung erfahren. Im Bunker drehen sich die Machtverhältnisse jedoch zu seinen Gunsten. Trinkwasser, Nahrung und der Stromgenerator werden von ihm streng bewacht und rationalisiert.
Bálint Walter, 1985 in Ungarn geboren, und die junge Salzburger Schauspielerin Melanie Arnezeder schaffen Atmosphäre. Klare Diktion und sparsame Emotion nehmen den Zuschauer von Beginn an mit in die Tyrannei, welche die Seele langsam zu zerfressen droht. Kein Einspielen, keine Zeit für Nervosität bei der Premiere, beeindruckende Schauspielkunst auf Knopfdruck.
Regisseur Claus Tröger verzichtet auf technischen Schnickschnack. Ein paar Leuchtstoffröhren und eine beklemmende Geräuschkulisse – das Surren einer Lüftung und nervenaufreibende Wassertropfen begleiten durch das Stück – ergänzen die sparsame Bühnenausstattung.
Die Zeit im Bunker vergeht langsam. Die Szenen, nur durch kurzes Aussetzen der Leuchtstoffröhren unterbrochen, werden beklemmender. Man meint zu spüren, dass die Luft zum Atmen knapp wird. Die Aggressionen steigen. Jede Diskussion wird zum heftigen Streit. Die Plaudereien über Alltägliches, etwa über Beziehungsverhältnisse, werden in der Umgebung des Weltuntergangs zur lächerlichen Farce. Grundlegende substantielle Themen, wie die Ursachen des Terrorismus, die „guten“ Gesellschaftsformen oder die Grenzen der Diktatur, werden nur in kleinen Fetzen an-diskutiert. An der Wand prangt der Spruch „God Save The Queen“.
Dennis Kelly, erfolgreicher Dramatiker aus London, liefert den Stoff für diesen finsteren Theaterabend. Selbst ungewollte oder aufgesetzte Komik hinterlassen in dieser Produktion - nicht nur für ein Publikum ab 16 - höchstens ein Zucken im Zwerchfell. Und: Selten war eine Location für einen morbiden unheilbringenden Theaterabend so geeignet, wie das Kleine Studio in der ARGEkultur. Freilich hätte man der Premiere am Donnerstag (10.4.) eine größere Zuschauerkulisse gewünscht. Doch eine solche hätte vielleicht sogar die familiäre Atombunkeratmosphäre gestört.
„Nach dem Ende“ – eine tatsächlich erlebenswerte Themenmélange aus schwerem Überlebenskampf im Angesicht der eigenen Grenzen, der manipulativen Machtstrukturen und Veränderungen einer hochtechnisierten Gesellschaft, die terroristischer Bedrohung ohnmächtig gegenübersteht. Wie hieß es in der Berliner Zeitung: „Gegenseitige Hilfe gerät zur Bevormundung, Überzeugen wird eine Technik manipulativer Gewalt, Liebe schlägt um in Besitzenwollen, Gelassenheit in Ignoranz.“
Nach dem Ende - weitere Aufführungen am 11., 23 und 24. April um jeweils 20 Uhr im Studio der ARGEkultur - www.argekultur.at
Bilder: ARGEkultur/Marion Berlinger