Die Ausgänge hoffnungslos in der Überzahl
SCHAUSPIELHAUS SALZBURG / SIEBEN TÜREN
07/03/14 Botho Strauß sagt von sich, er sei ein „nicht praktizierender Gesellschaftsmensch“. So einer hat also Distanz und entwickelt einen scharfen Blick aufs Ungereimte zwischen Menschen. Hinter „Sieben Türen“ lauern die Fußangeln klein und größer karierten Denkens.
Von Reinhard Kriechbaum
Weinen vor Mitleid müsste man eigentlich, wenn das Brautpaar da sitzt am Hochzeitstag und draufkommt, dass keiner da ist zum Mitfeiern. „Typisch für uns: glücklich bis zum Geht-nicht-Mehr und vergessen, jemanden einzuladen“, sagt der Bräutigam konsterniert. Die erste Beziehungskrise kommt rascher an als erwartet.
Andere haben es aber noch schlechter getroffen. Der Selbstmörder zum Beispiel – „ein Wesen tragischer Größe, das sich entleibt hat“. Jetzt ist er ans Nichts gekettet, in dieser Aufführung verfolgt ihn ein Sextett infernal mit uniformen Gesichtsmasken. Keine adäquaten Gesprächspartner? „Man redet eben miteinander. Ist ja nicht das Schlimmste.“ Eh nur die Hölle…
„Sieben Türen“ besteht aus Sketches, die in vertrauten Situationen ansetzen, aber augenblicklich aus dem Ruder laufen. Crash mit verbalem Totalschaden im Absurden. Von Bagatellen spricht der Autor. Als „unbedeutende, geringfügige Angelegenheit; Kleinigkeit“ definiert der Duden dieses Wort. Schwer vorstellbar, dass der Parkwächter, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen Leibwächter, sein Ansinnen als eine solche Geringfügigkeit betrachtet. Es ist ihm total ernst, aber der Leibwächter in spe stellt bohrende Fragen, und die betreffen keineswegs nur das Finanzielle. Das Ego des armen Mannes steht auf dem Spiel, wenn er erkennen muss, dass eben der Stärkere den Schwächeren bewacht und er selbst sich am untersten Ende der Human-Skala findet: Als Parkwächter bewacht er nur Autos.
Bernadette Heidegger hat die Aufführung im Studio des Schauspielhauses inszeniert, mit nicht wenig Temperament lässt sie spielen, mit Sinn für Slapstick und mit Mut zur Überzeichnung. Manchmal kommt der Text eine Spur greller und lauter daher, als es seiner Subtilität gut tut. An Pointen mangelt es jedenfalls nicht, aber sie sind doch so gesetzt, dass sich das Publikum nicht vorschnell auf die Schenkel klopft. Die Aufführung löst ein, was „Sieben Türen“ ist: ein gedanklich etwas weitergeschraubter Loriot. Botho Strauß' Humor ist boshafter, abgründiger.
Katharina Pizzera und Olaf Salzer sind starke Typen im Ensemble. Dazu gehören noch Anna Katharina Fromann, Simon Ahlborn, Martin Brunnemann, Magnus Pflüger, Nenat Subat. Alle tragen sie graue, anzugartige Overalls. Mit dem Krawattenbinden kommen sie in einigen pittoresken Szenen unterschiedlich gut zurecht. Alle haben pinke Socken und schwarzweiße Turnschuhe. Ausstatter Vincent Mesnaritsch hat die titelgebenden sieben Türen (für ebenso viele Darsteller) gebaut. Wer wo heraus kommt, ist immer wieder für Überraschungen gut. Wie heißt es so schön am Beginn des Stücks: „Die Ausgänge hoffnungslos in der Überzahl“ - wenig Chance, in den wirklich verzwickten Situationen des Lebens die richtige Tür zu erwischen.