Alt sein ist eine einsame Beschäftigung
SCHAUSPIELHAUS / DER EINSAME WEG
20/02/14 Familienleben sei „etwas sehr Hübsches“, sagt einer einmal, „aber es sollte sich in der eigenen Familie abspielen“. Tut es natürlich nicht, sonst wäre es nicht Arthur Schnitzler. In seinem Schauspiel „Der einsame Weg“ hat vor allem Julian Fichtner, Malergenie und Hallodri im depressiven Endstadium, etwas zu verbergen.
Von Reinhard Kriechbaum
Er hatte sich seinerzeit davon gemacht, Gabriele hat ganz schnell einen anderen geheiratet und das Kind zur Welt gebracht: Felix, jetzt 23 Jahre alt. Natürlich hat sie zur (Lebens)Lüge gegriffen – aber kann eine Lüge Sünde sein, wenn sie auf Lebenszeit „den Frieden in einem Haus sichert“? Eine „starke Lüge“ jedenfalls, um in Schnitzlers Diktion zu bleiben. Doch Gabriele haucht schon nach dem ersten Akt ihr Leben aus. Bleiben vier weitere, in denen allmählich alles ans Tageslicht kommt: „Auch Mütter haben ihr Schicksal, wie andere Frauen.“
„Der einsame Weg“ gehört zum Pessimistischsten, was Schnitzler überhaupt geschrieben hat. Im Schauspielhaus Salzburg hat Robert Pienz das Stück inszeniert, streng, schlackenlos, über weite Strecken ganz leise, aber mit viel brodelnder Emotion im Untergrund. Man spürt die Mühe, die es alle Protagonisten kostet, den Deckel am Kochtopf zu halten.
Schräg führt „Der einsame Weg“ durch den Bühnenrahmen nach hinten, ein Brettersteg, der eigentlich nicht anfängt und nicht aufhört. Ein Vorhang lässt sich vorziehen, so entstehen auch intime Räume. Ragna Heiny hat auf dieser Bühne die Figuren heutig gekleidet. Es wird keine Fin-de-siècle-Geschichte erzählt, sondern eine, die in Zeiten von Patchwork-Familien denkbar nah wirkt. Wird heutzutage weniger gelogen? Jedenfalls gilt wohl der alleweil zitierfähige Satz: „Was wir gegen unser Innerstes verbrochen haben, ist nicht zu verzeihen.“ Auf sich selbst zurück geworfen, isoliert, bar aller Illusionen werden diese Menschen ihr Leben zu Ende führen. Sofern sie nicht wie die junge Johanna ins Wasser gehen, oder sich mit der Schusswaffe ins Jenseits befördern wie der Dichter Stephan von Sala. Er und Johanna – ein geheimes, vielleicht kurzzeitig sogar hoffnungsvolles Paar, scheitern an der Undenkbarkeit dieser Beziehung.
Harald Fröhlich spielt die Hauptrolle: dieser Maler Julian Fichtner hat zwei Frauen, ein Kind und so nebenbei sein Künstlertum verspielt. Mit vehementer Hoffnungslosigkeit versucht er den Sohn doch noch für sich zu gewinnen. Das ist eine eindringliche Charakterstudie. Thomas Pfertner spielt den Felix, der mit gerader, kräftiger Stimme Wahrheit einfordert und sich möglichst nicht verbiegen lässt von der Verlogenheit rundum. Er wird sich vorbehaltlos zu Professor Wegrat, bekennen, der ihm ja doch der „richtige“ Vater ist. Diesem Alten gibt Georg Reiter milde, fast naive Züge. Da nimmt einer sein Schicksal einfach ergeben hin. Antony Connor als Stephan von Sala liefert mit scheinbar munterem Fatalismus manchen Zündfunken. Daniela Enzi trägt als Schauspielerin Irene, der das Mutterglück versagt blieb, die Seelenbrüche dieser Figur auf dem Präsentierteller. Sophie Hichert als Johanna zeigt von Anbeginn eher pathologische Züge. Vorwiegend barfuß tänzelt sie um ein Loch im Brettersteg, das für den Teich steht. Es ist von Vorneherein klar, dass dieses Leben unglückliches Traumgespinst bleibt.
Weniger dankbare Rollen haben Ute Hamm (Gabriele) und Albert Friedl, der als liebesglückloser Doktor Reumann vor allem hölzern herum staksen und durchdringende Blicke ausschicken muss. Die Sprechkultur ist an diesem Abend bemerkenswert hoch. In den drei Stunden gibt es gelegentlich Durchhänger, aber die meisten Szenen wirken fein durchgearbeitet, und dann entstehen spannende psychische Momentaufnahmen. Resignation in vielen Schattierungen, denn schließlich ist „das alt Sein eine einsame Beschäftigung für unsereinen.“