Minnas mondäne Mode
LANDESTHEATER / MINNA VON BARNHELM
31/01/14 Minna von Barnhelm, ein klassischer Fall von Schulbuch-Zweitklassiker? Stimmt nicht: Heutzutage laufen gar nicht wenige Majore Tellheim herum. Leute, die ihren Selbstwert allein aus der Arbeit bezogen haben und, wenn ihnen diese abhandenkommt, in ein tiefes Loch fallen.
Von Reinhard Kriechbaum
Tellheim also ist unehrenhaft und verwundet aus dem Militär entlassen worden. Das Selbstwertgefühl ist perdu. Was Tellheim Ehre nennt, ist in Wirklichkeit Orientierungslosigkeit, Geldmangel und ein guter Schuss Selbstmitleid. Eine brisante Mixtur. Die Aussicht auf Langzeitarbeitslosigkeit – keine Hoffnung auch nur auf den kleinsten Krieg in der Nähe! – stürzt ihn in eine tiefe Depression.
Minna tut einen Theaterabend alles, um ihren Verlobten Tellheim rauszuholen aus dem Loch. Lessing hat das in ein Lustspiel verpackt. Aus so einer Geschichte lässt sich schon etwas Vernünftiges machen, wenn man sie aus dem 18. Jahrhundert ins Heute und nicht bloß ins Gestern rückt. Auf der Probebühne des Salzburger Landestheater verheddert sich Regisseurin Astrid Großgasteiger mit einem mehrheitlich unzulänglichen, kopf- und führungslos agierenden Ensemble ganz hoffnungslos in eben diesem Gestern.
Als Vamp kommt Minna daher, zieht am Zigarettenstiel und singt dann gar noch „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“: eine Bühnen-Peinlichkeit sondergleichen. Aber von Schauspielerei kann da ohnedies nicht die Rede sein. Astrid Großgasteigers Domäne war in letzter Zeit eher das Bürgertheater. Dieses Niveau hält der Abend schon.
Vor allem geht es um Verkleidungen, mit dem Wechsel von Gewändern sind die Damen ziemlich beschäftigt. Zuletzt sieht Minna aus wie Lady Gaga. Manuela Weilguni hat auf mobile Ausstattung gesetzt. Minna (Claudia Carus) und ihr Mädchen Franciska (Diana Marie Müller) reisen mit riesigen Kisten, die man aufstellen und aufklappen kann – drin baumeln dann die Perücken, eine Kiste ist eine mobile Teeküche und eine dient als begehbarer Garderobenschrank. Die vielen Koffer des Majors Tellheim (Clemens Ansorg) sind viel armseliger. Man lässt sie besser zu und begnügt sich mit zeitaufwändigem Herumräumen. A propos Zeit: Man kann sich die gesamten zweieinhalb Stunden nicht des Eindrucks erwehren, dass man deutlich mehr davon absitzt als die Angelegenheit inhaltlich und interpretatorisch bringt.
Das hat wiederum weniger mit den munteren Verkleidungsspielchen zu tun als mit der Sprechtechnik, vor allem der beiden Damen. Selbst in den kleinen Kammerspielen kommen die Dialoge verwaschen daher. Es kostet einige Energie, um Minnas Strategien, den Gespons wieder zu bekommen, wirklich nachvollziehen zu können. Viel Umtriebigkeit, aber eine mehr als zähe Angelegenheit.