Kein Grund, den Kampf aufzugeben
LANDESTHEATER / DIE PEST
20/01/14 Romane auf die Bühne. Das muss heutzutage wohl so sein. Doch nicht alle Romane werden so textlich so schlüssig und darstellerisch so brillant zum Drama gemacht, wie Albert Camus Roman „Die Pest“ am Landestheater: Carl Philip von Maldeghem inszeniert die Chronik einer Seuche als Solo für Christoph Wieschke als einzigem Darsteller.
Von Heidemarie Klabacher
Christoph Wieschke führt als Erzähler – als Arzt Dr. Bernard Rieux – durch die Pestmonate in Oran, einer ganz „gewöhnlichen“ Stadt an der algerischen Küste. Einer Stadt „ohne Ahnungen“, einer ganz modernen Stadt also - wie Camus den Schauplatz charakterisiert.
Christoph Wieschke ist freilich nicht nur der Chronist und Erzähler. Er schlüpft vielmehr in die Rollen auch all der zahlreichen anderen Romanfiguren, die zusammen ein umfassendes Bild vom Menschen in der Krise ergeben: von verschiedensten Menschen also, die ihr Leid beklagen oder bekämpfen, Hoffnung aufgeben oder schöpfen, Kraft gewinnen oder an die Krankheit verlieren.
Einige stehen dem Doktor auch einfach nur im Wege, wie etwa der „starrgläubige“ Pater Paneloux, der in der Pest der Einfachheit halber eine verdiente Strafe Gottes für die Lauheit der Menschen im Glauben sieht. Andere reifen in Oran zur Menschlichkeit. Den Journalisten etwa hat nur eine Story in die Stadt verschlagen. Jetzt sitzt er fest und schmiedet Fluchtpläne aus der unter Quarantäne gestellten Stadt - bis er eines Augenblicks die Stellung wechselt, Stellung bezieht, sich mit den Geschlagenen solidarisch erklärt und Rieux seine Hilfe anbietet. Oder der harmlos reine Tor Grand von der Stadtverwaltung, der in seiner Freizeit einen Roman schreibt und zu Beginn des Stücks schon bei der 218. Fassung des ersten Satzes seines künftigen Meisterwerkes hält: Der hilflose Träumer wird zum Sekretär der freiwilligen Sanitätstruppen.
Den alten Kollegen, den Concierge, den jungen Mann mit dem schweren zerfurchten Gesicht – später einer der selbstlosesten Helfer: Christoph Wieschke stellt sie dar mit oft nur kleinen und kleinsten Veränderungen in Mimik, Gestik, Körperhaltung oder Stimmfarbe. Selbst Rieux zufällig auf Besuch weilende Frau Mama wird plastisch greifbar, als Dame, die nichts ihre Haltung verlieren lässt, oder die kranke Gattin, die am letzten offenen Tag die Stadt Richtung Sanatorium verlässt bekommen Farbe und leben.
Carl Philip von Maldeghem und sein Darsteller konzentrieren sich auf die menschlich-moralischen Fragen, die „Die Pest“ aufwirft. Sie verzichten auf jegliche Anspielung auf politische Aspekte (Pest und Ratten wurden/werden ja nicht selten als Bild für die Besetzung Frankreichs durch die Nazis gesehen). Die Frage des Stellung-Nehmens und Position-Beziehens bleibt ja ohnehin die gleiche. Zudem erhält die Aufführung dadurch neben der darstellerischen zusätzliche innere Geschlossenheit.
Es ist ja tatsächlich nicht unlogisch, „Die Pest“ als Ein-Personenstück aufzuführen: „Ein Geschichtsschreiber, auch der bloße Liebhaber dieser Kunst, besitzt natürlich immer Dokumente. So hat denn auch der Erzähler dieser Geschichte die seinen: zunächst sein eigenes Zeugnis, dann dasjenige der anderen, da er dank seiner Stellung der Vertraute aller Beteiligen wurde – und schließlich die Schriftstücke, die ihm in die Hände fielen“, heißt es zu Beginn des Romans.
Die Bühnenfassung für das Landestheater hat Carl Philip von Maldeghem auf der Basis der Deutschen Übersetzung von Uli Aumüller selber erstellt. Aber auch der Raum – im Zentrum steht eine Art Stadtmauer, auf der sitzend man übers Meer schauen kann, aber auch eine Zimmerwand voller Nischen und beweglicher Teile – basiert ebenfalls auf der Konzeption von Carl Philip von Maldeghem. - Eine hoch gelungene Zwei-Mann-Schau, die vom Premierenpublikum am Samstag (18.1.) mit spontaner Ovation bedankt wurde.