Halblustig wie im Fernsehen
LANDESTHEATER / DIE NACKTE WAHRHEIT
27/11/13 Es empfiehlt sich dringend, Humor mitzubringen. Ein guter Vorrat ist unverzichtbar, denn das Stück „Die nackte Wahrheit“ von dem Amerikaner Paul Rudnick hält nicht gar so viel davon breit. Aber mit der Inspiration von TV-Vorabend-Soaps hält solches Theater ganz locker mit.
Von Reinhard Kriechbaum
„Faust II“ war schon mal ein recht guter Beginn, aber eigentlich werden im Landestheater erst jetzt die wirklich essentiellen Fragen des Menschseins gestellt. In „Caveman“ (in den Kammerspielen) geht es ums Mann-Frau-Verhältnis. „Die nackte Wahrheit“ spricht nun gar die Kunst an und wie konservativere Geister damit umgehen. Im Landestheater hält man es so: Weil ganz zu Beginn ein nackter Mann auf der Bühne ist – der Fotografie-Künstler posiert gar als Gekreuzigter – hat man vorsorglich das Mindestalter der Besucher auf 16 Jahre festgelegt. Man weiß ja nie, in der Provinz…
Das Jugendverbot ist das bei weitem Witzigste an dem Theaterabend. Irgendwie malt man sich den Intendanten aus, wie er in ein Alte-Tanten-Kostüm schlüpft und bei sich selbst anklopft, um ehzeitig Zensur einzufordern. Genau dies tut im Stück die adäquat gekleidete Nan Bemiss. Sie ist die verklemmte Frau eines amerikanischen Politikers, der es wohl bald zum Senator bringen wird. Alex Del Fabio ist Künstler. Aktfotografie will er ausstellen, der honorige Senator in Spe soll die Schau eröffnen. Da sind aber drei Bilder, die eindeutig zu schmuddelig sind und nicht ins korrekte Weltbild eines honorigen Republikaners passen.
Der Salzburger Intendant war bei sich selbst erfolgreicher als die verklemmte Nan bei Alex. Die anstößigen Fotos (den Riesenpenis bekommen wir zu sehen, die anderen beiden Motive wagen wir uns gar nicht auszumalen) wird sie nicht los. Im Gegenteil: In den zwei Stunden gewinnt die konservative Frustwuchtel an Selbstbewusstsein und zieht sich auch aus. Zuerst zum Fotoshooting. Kunst ist ja doch zu was gut.
Allerlei Leichen im Keller tauchen auf: Der cleane Politiker hat eine Superblondine als Gspusi und die Tochter kommt drauf, dass die eigentlich lesbisch ist. Und der Künstler ist HIV-positiv. Man kann dem Autor bestimmt nicht vorwerfen, dass er irgendein Klischee übersehen hätte. An dieser Schraube dreht Regisseur Marco Dott weiter, so dass alles in Richtung Farce getrimmt wird. Das ist auch die einzige Möglichkeit, mit dem hanebüchen geradlinigen und denkbraven Text umzugehen. Das Ensemble ist gefordert, all die Charaktere ganz so zu spielen, wie es die Kollegen der amerikanischen Soaps täten. Wir wollen hoffen, dass das für alle Beteiligten tatsächlich eine fordernde schauspielerische Aufgabe war.
Beatrix Doderer ist Nan. Ihr gelingt es, nachdem sie einen Akt lang ihre stockkonservative Position an der Grenze zum Kreischen hat verteidigen müssen, dann doch ein wenig Leisheit, Hintergründigkeit gar ins Spiel zu bringen. Tim Oberließen gibt den Künstler Alex mit Naturburschen-Charme. Axel Meinhard als schleimiger Berufspolitiker hätte schon vor Jahrzehnten gut in „Dallas“ gepasst. Lieb ist die überdrehte Sissy (Nadia Migdal), die ihr Schnattermäulchen nie hält und jedes Wort mit mindestens der doppelten Anzahl an Gesten ausschmückt. Viel Bein zeigt Corinna Ketter als Lynette. Lisa Müller-Trede und Marcus Brien spielen überdrehte Leute aus der Kunstwelt.
Alles seicht, immer durchschaubar und nie auch nur eine Spur hinterfotzig. Die Soap-Konkurrenz on screen braucht das Landestheater nicht zu fürchten. Und was machen die ausgesperrten Unter-Sechzehnjährigen? Kein Problem, man spielt im Landestheater ja auch Pippi Langstrumpf.