„Lies oder stirb!“
SCHAUSPIELHAUS / TINTENBLUT
07/05/13 „Ihr seid auch alle nur Buchstaben auf Stühlen!“ Marcus Marotte spielt - trotz Knieverletzung – den Erzähler im Jugendstück „Tintenblut“: Zuschauer wie Protagonisten werden in eine phantastische Welt entführt, in der literarische Figuren zum Leben erweckt werden.
Von Oliwia Blender
Gleich zu Beginn wird uns ein „großartiger Zeitvertreib“ prophezeit, was kein leichtes Unterfangen ist, wenn man bedenkt, dass hier vorrangig Kinder unterhalten werden wollen. „Tintenblut“, eine kluge Abenteuergeschichte, in der die Selbstaufopferung für die Liebe und Freundschaft, wie auch die Akzeptanz des eigenen Schicksals, zu den Leitmotiven gehören.
Der zweite Teil von Cornelia Funkes Jugendbuch-Trilogie wurde fabelhaft inszeniert von Bernadette Heidegger und von Christopher Biribauer stimmig und stimmungsvoll musikalisch untermalt. „Tintenblut“ entführt die Zuschauer und die Figuren des Stücks gleichermaßen in eine phantastische Welt, in der literarische Figuren zum Leben erweckt werden.
Obwohl es sich um die Fortsetzung von „Tintenherz“ (aufgeführt 2012) handelt, wird kein Vorwissen verlangt. Von Anfang an wird man von der Erzählinstanz geleitet, die Figuren werden eingeführt und die „Dreieinigkeit“ von Autor, Buch und (Vor)Leser wird von der Regisseurin geschickt auf der Bühne realisiert.
Der Kampf zwischen Gut und Böse beginnt mit der Rückkehr Staubfingers (Benjamin Lang) in seine Heimat Tintenwelt. Der Feuerspucker lebte zehn Jahre lang in Sehnsucht nach seiner Heimat und seiner Frau Roxane (Alexandra Sagurna), da er unfreiwillig aus seiner Welt herausgelesen wurde.
Der Buchbinder Mo (Martin Brunnemann) besitzt gemeinsam mit seiner Tochter Meggie (Anna Katharina Frommann) die Gabe - oder auch den Fluch - Figuren aus Büchern zum Leben zu erwecken. Diese Fähigkeit nutzt Meggie dazu, um gemeinsam mit ihrem Freund Farid (Jakob Elsenwenger) Staubfinger nachzureisen: Sie will ihn vor dem Bösewicht Basta (Nenad Subat) warnen…
Es folgt ein spannende Reise in eine Welt voller Magie und Gefahren, mit Elfen, mittelalterlichen Gauklern und einem tyrannischen Fürsten. Dabei spielen auch noch die Figuren Resa (Eva Weingärtler), Mos Frau, und Meggies Großtante Elinor (Saskia Quedens) eine wichtige Rolle. Vor allem letztere sorgte beim Publikum für beste Laune und viel Gelächter.
Trotzdem geht es um nichts Geringeres als um die Frage: Wer ist eigentlich Herr über die Geschichte? Wer schreibt und wer liest (vor) und welche Folgen hat das für den weiteren Verlauf? Und was passiert, wenn sich die Geschichte verselbstständigt?
Die Inszenierung begeistert bis zur letzten Szene - ein abwechslungsreiches Gemisch aus Vergnügen und Tiefsinn. Die Lust am Spielen und die flexible Dynamik der Schauspielerinnen und Schauspieler ist überzeugend! Mehrfachbesetzungen, akrobatische und musikalische Darbietungen vermitteln nicht nur ein mittelalterliches Jahrmarktgefühl, sondern zeugen auch von talentierten vielseitigen Nachwuchskünstlern. - Was nach der Premiere gestern Montag (6.5.) der donnernde Applaus des anspruchsvollen jungen Publikums bestätigt hatte!
