Der Wolf ist rehabilitiert
ANNA UND DER WOLF / KIJA SALZBURG-TOUR
25/04/13 Kindertheater über Scheidung - muss das unbedingt sein? Ja! Wenn ein brennendes Problem von Heute mit der Kraft der Poesie und dem Zauber des Theaters angegangen wird. Ja! Wenn es so gemacht wird, wie von der Theatertruppe „Traumfänger“: wenn der Schritt vom Kinderzimmer in den Zauberwald nicht größer ist, als der von einer Märchenbuchseite auf die nächste.
Von Heidemarie Klabacher
Die Tour-Produktion „Anna und der Wolf“ wird in jedem Turnsaal funktionieren. Eine simple Wand, über die - je nach Bedarf – das großformatige Bild eines Kinderzimmers oder eines Märchenwaldes gezogen wird. Ein paar Scheinwerfer. Ein paar Gitterstäbe, hinter die die Hexe nicht nur den Hänsel gesperrt hat, sondern gleichsam alle Kinder, die von rücksichtslosen Erwachsenen in einen Käfig aus Selbstvorwürfen gesteckt worden sind.
Die Theatertruppe Traumfänger brachte bei der Premiere in Salzburg berührendes und packendes Theater auf die Bühne des Ovals. Die Traumfänger werden mit ihren ebenso einfachen wie eindrücklichen Mitteln ab 13. Mai auch die Turn- und Festsäle der Schulen in Hallein, Henndorf, Bischofshofen oder St. Michael verwandeln. Veranstaltet wird die Tour von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg.
Christoph Rabl von den Traumfängern hat das Stück über Anna und ihren Kuschelwolf Wolferl geschrieben. Er führt Regie und er spielt selber den Wolf. Dieser Wolf (der genauso gut ein Teddybär oder eine Käte Kruse Puppe sein könnte) ist für Anna Ansprechperson, Tröster, Ratgeber – und vor allem ein verlässlicher Führer durch die Seiten des Märchenbuches hinüber in die Zauberwelt.
Dort geht es auch nicht viel besser zu, als in der Realität. Statt streitender Eltern, die ohne es zu merken ihren Kampf auf dem Rücken des Kindes austragen, gibt es dort die Hexe. Und die hält den Hänsel gefangen in einem besonders perfiden Gefängnis: Die Gitterstäbe bestehen aus kindlichen Schuldgefühlen, die zu erkennen ein Elternpaar im Scheidungskrieg nicht zu erkennen imstande ist. Aber dort kommen die Erwachsenen immerhin zu einer anderen Sicht ihrer Selbst und ihres Egos.
Das klingt jetzt ganz furchtbar bedeutungsvoll, belastend und schwermütig (klingt nach Sozialproblemkitsch, um genau zu sein). Aber all das ist „Anna und der Wolf“ eben nicht! Das ist ja das Wunderbare. Dieser Wolf ist nicht nur so klug, dass er - in letzter Sekunde übrigens - die verbohrten Eltern auf dem Weg ins Reich der Phantasie locken kann. Er hat auch Witz und Selbstironie und eine coole rauchige Stimme und kräftige Muskeln. Soll mal einer - oder eine Hexe - kommen! Und Anna ist so tapfer, dass sie über dem Schicksal des unschuldig gefangenen Hänsel ihre eigenen Sorgen vergisst und sogar das verirrte hässliche Entlein auf die richtige Spur bringt.
Dass auch gesungen wird, daran gewöhnt man sich nicht nur bald, die Traumfänger machen das sehr gut. Und das Ende ist bei allem Märchenhaften kein billiges Happy-End, sondern der Anfang eines guten Miteinander auch unter den Bedingungen nach der Scheidung. – Eine berührende packende Produktion.