Jodeln im zweiten Futur bei Sonnenaufgang
MOTZART / STERMANN & GRISSEMANN
08/04/13 Sie lassen legendäre und liebgewonnene Knollennasenmännchen auf der Bühne wieder auferstehen – in ihrer Lesung mit Texten von Loriot: Stermann und Grissemann, zum ersten Mal im MotzArt Kabarett Festival, titulieren ihr Programm „Die Ente bleibt draußen“.
Von Ursula Trojan
„Das Hotel ist etwas unübersichtlich!“ In einem derartigen Gebäude kann es schon einmal vorkommen, dass sich plötzlich „Zwei Herren im Bad“ wiederfinden, jedoch sitzt einer von beiden in der „Fremdwanne“. Was folgt, ist ein Disput über Menge und Temperatur des Badewassers und generell über das Vorhandensein eines solchen! Bestens bekannt als Herr Müller-Lüdenscheidt und Herr Dr. Klöbner setzen die beiden Herren mittleren Alters nicht nur eine Pointe nach der anderen, sondern auch eine Debatte über das Schwimmtier in Gang: „Mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht!“ Das überdimensionale, qietschgelbe Badezubehör auf dem Podium, den ganzen Abend lang von einem Spot angestrahlt, denkt sich wohl sein Teil.
In einer Geschichte gibt es ein Wiederhören mit dem Lottogewinner Erwin Lindemann, der vor laufender Kamera ganz locker erzählen soll, was er mit dem Geld vorhat… Man erinnert sich: Am Ende eröffnet dann der Papst mit dessen Tochter eine Herrenboutique in Wuppertal. Oder war es Island?
Die beiden Kabarettisten Dirk Stermann und Christoph Grissemann erwecken aber auch beliebte Familienszenen zum Leben („Ein Klavier! Ein Klavier!“), in denen sie alle Rollen übernehmen, oder geben einige der berühmten „Interviews“ zum Besten, wie etwa die Szene mit dem sprechenden Hund Bello oder dem Astronauten, der sich mitten in der Sendung als Verwaltungsinspektor entpuppt. Für launige Zwischenmusik am Klavier sorgt Philippine Duchateau. Wenn sie Variationen über den Brautchor aus Lohengrin anklingen lässt, ahnt man schon, voller Vorfreude, was textlich folgen wird. Und wirklich: Nach vorbereitenden „Liebesbriefen“, die die Spannung erhöhen sollen, ist es dann so weit. „ Berta, das Ei ist hart!“ ertönt es und die „Szenen einer Ehe“ kommen in Gang. Christoph Grissemann übernimmt köstlicherweise mit recht schrill-kreischendem Tonfall den weiblichen Part, während Dirk Stermann dem eher wortkargen Hausherrn die hauchige Stimme verleiht. Der Zuschauer amüsiert sich bei diesen Darbietungen doppelt: einerseits erheitern ja schon die Sketche an sich, andererseits rückt zusätzlich das sichtliche Vergnügen der beiden Protagonisten in den Vordergrund.
Loriot hat als begeisterter Koch auch einige Rezepte kreiert. Im „Bauernomelett“ etwa heißt es, dass ein bis zwei zarte Landwirte durch ein Sieb gestrichen werden, für „Jäger im Reisrand“ wird dafür ein „Forstadjunkt mit Hut“ benötigt. Der „Dackel im Schlafrock“ soll weihnachtlich dekoriert werden, vom „Papa aus Marzipan“ muss davor ein Gipsabdruck genommen werden… Nach diesen Absurditäten geht es wieder ans Bodenständige. Der Bogen spannt sich zu Frau Hoppenstedt, die gerade ihr Jodeldiplom absolviert, damit sie als Hausfrau „was Eigenes“ habe, wenn die Kinder einmal aus dem Haus sind. Sie macht sich schon recht passabel, allerdings ist „Dö dudl dö“ als „zweites Futur bei Sonnenaufgang“ zu verwenden...
Das wohl bekannteste Portrait Vicco von Bülows alias Loriot ist das, wo der deutsche Humorist auf dem grünen Sofa sitzt und dem Betrachter verschmitzt zulächelt. Stermann und Grissemann wählten dieses als Hintergrundbild für die Bühne. So ist der vielseitige Sprach- und Zeichenkünstler immer mit dabei.