Schuld und keine Sühne
KLEINES THEATER / BLACKBIRD
04/04/13 Dass so ein Kinderschänder nach der Verbüßung seiner Haftstrafe im bürgerlichen Leben nicht so leicht wieder Fuß fassen kann, glaubt man sofort. Dass es junge und sehr junge Mädchen geben kann, die sich einen sehr viel ältern Mann verlieben, ist seit Nabokovs „Lolita“ bekannt.
Von Heidemarie Klabacher
Was tatsächlich in der Psyche von Tätern und Opfern vorgeht und vorangehen musste, wird von „Fall“ zu „Fall“ verschieden und höchstens Psychologen und Psychiatern halbwegs zugänglich und erklärbar sein.
Insofern ist nicht ganz klar, was uns der schottische Dramatiker David Harrower mit seinem Stück “Blackbird” erzählen will: Una war zwölf und Ray war vierzig, damals vor fünfzehn Jahren, als sie für kurze Zeit ein Liebespaar waren. Nun sucht die junge Frau ihren Liebhaber/Vergewaltiger an seinem Arbeitsplatz, einem Kino, auf. Ob Ray, der sich im neuen Leben Peter nennt, dort der Hausmeister, der Putzmann fürs Grobe oder der Techniker ist, bleibt offen, ist auch egal. Sein Gewand jedenfalls ist schäbiger als damals, bemerkt Una.
Regisseur und Bühnenbildner Markus Steinwender hat für die Österreichische Erstaufführung von „Blackbird“ die „guten Plätze“ im Kleinen Theater als Bühne für die Abrechnung zwischen Una und Ray - Elisabeth Nelhiebel und Peter Malzer – reserviert. Das Publikum ist hinten oben sichtbehindert zusammengepfercht und wundert sich. Aber die Müllsäcke und Besen im vorderen Zuschauerraum machen alsbald deutlich, dass dort irgendwas Theatralisches passieren wird. Die Baupolizei würde den Krempel nicht zulassen.
Schon mit den ersten Sätzen wird klar, dass die weißen Schaumstoff-Würstchen im ganzen Saal für verstreutes Popcorn nach einer Kinovorstellung stehen: ein vergammelter heruntergekommener Raum. Binnen kurzen verbinden sich die düstere Umgebung und die dramatische Begegnung zu atmosphärisch dichter, beinah ein wenig Klaustrophobie erzeugender Spannung.
Dass David Harrower keine „Botschaft“ hat, vor allem keine Urteile spricht, macht spannend, was sonst simples Betroffenheitstheater wäre. Dieser Ray/Peter ist kein Ungeheuer, war wahrscheinlich auch damals keines. Dennoch ist die Schuld, an der er auch nach Verbüßung einer Haftstrafe noch schwer trägt, bei ihm. Diese Una war keine kindliche Femme fatale, war in der Begegnung mit Ray dennoch mehr als nur ein Opfer. Lolita? Wurde sie von Gericht und Gesellschaft nicht viel brutaler misshandelt, indem man dem Kind zumindest eine Mitschuld unterstellen wollte…
Die verhängnissvolle "gemeinsame" die Geschichte wird von beiden Seiten her aufgerollt. Elisabeth Nelhiebel und Peter Malzer gelingt es – auf gut achtzig Minuten und mit durchwegs leisen Tönen – die fatale Konstellation spannungsvoll nachzuzeichnen,