Für Machos und Feministinnen
LANDESTHEATER / OLEANNA
19/03/13 David Mamets vor zwanzig Jahren uraufgeführtes Stück „Oleanna“ erweist sich angesichts gegenwärtiger Sexismus-Debatten in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters als sehr aktuell.
Von Werner Thuswaldner
Das Salzburger Landestheater geht mit der Zeit und stellt auf der Bühne Themen, die sich gerade höchster Aktualität erfreuen, zur Diskussion. Und ist dabei fast so schnell wie eine Tageszeitung. Gerade wurde sehr kritisch gezeigt, welche Rolle die Banken in der internationalen Finanzkrise spielen, schon wendet man sich neuen Fragen zu, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Nein, um die Erwartungen an den neuen Papst geht es gerade nicht, aber um sexuellen Missbrauch. Genauer: Wie eine Autoritätsperson seine Position ausnützt. Dass Lehrer sich an Studentinnen vergriffen haben sollen, hat man schon öfters gehört. Der Unhold gehört an den Pranger gestellt, zur Warnung anderer. Einem Sexisten soll es heimgezahlt werden.
Ganz so einfach läuft es in dem Stück „Oleanna“ von dem Amerikaner David Mamet, das am Sonntag in den Kammerspielen Premiere hatte, nicht. Ja, John, der Professor, ist ein Widerling, ein Karrierist, der eine glänzende Laufbahn vor sich sieht und mit dem Kauf eines Hauses zeigen will, ein wichtiges Etappenziel schon erreicht zu haben. John ist das Feindbild der Feministinnen. Er ist vor allem mit akademischer Arroganz begabt. Kein Kommunikationsgenie, das die Studierenden begeistern könnte.
Carol, die Studentin, alles andere als eine intellektuelle Leuchte, spürt ihre Hilflosigkeit und sucht Rat bei ihm. Er ist zu persönlicher Betreuung bereit. Diese Initiative ist durchaus doppeldeutig zu verstehen. Doch bevor das Publikum zu einer vorschnellen Verurteilung des Manns kommt, relativiert der Autor die Geschichte. Das Mädchen interessiert den Professor zunächst nicht, er hat seine Karriere im Kopf.
Gerade an diesem Punkt ist er verwundbar, und die Studentin trifft ihn dort zielgenau. Sie zeigt ihn bei der Berufungskommission an und behauptet, er habe sie sexuell belästigt. John will in einer Aussprache mit ihr retten, was noch zu retten ist. Der Versuch endet katastrophal, weil er handgreiflich wird, womit er prompt in der Falle sitzt.
Regisseur Marco Dott arbeitete die Dramatik der Verbalschlacht scharf heraus. Das geschieht mit der gar nicht plumpen Art, wie er den zunächst so selbstsicheren John demontiert. Gero Nievelstein, der anfangs den abgehobenen, glatten Professor gibt, gerät durch die Erpressung der jungen Frau ins Schwitzen. Und sie weiß, ihre Möglichkeiten zur Infamie – ermutigt durch die in der Gesellschaft überzogene „political correctness“ – wirksam zu nutzen. Elisabeth Halikiopoulos erscheint in dieser Rolle als kindlich-unbeholfenes Mädchen, das der Lehrer völlig falsch einschätzt. Dass sie zu Raffinement und Hinterhältigkeit fähig ist, überrascht dann nicht nur ihn, sondern auch das Publikum.
Zuschauer und nicht nur Kinder, denen Märchen erzählt werden, wollen gerne wissen, wer böse und wer gut ist. Im Fall von „Oleanna" werden sie hin- und hergerissen. Durchaus möglich, dass dies die Nachdenklichkeit fördert.