Frauen sind aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken
SCHAUSPIELHAUS / ZUR SCHÖNEN AUSSICHT
28/02/13 „Hotel zur schönen Aussicht“. Keine schönen Aussichten. Die alternde Baronin hat Hotelbesitzer und Personal für Tisch und Bett „gekauft“. Sie allein hält den Betrieb am Leben. Da kommt eine junge Frau daher: Sie hat im Vorjahr ein Kind vom alten Strasser davongetragen, und will nun – in allem guten Glauben – als Hoteliersgattin einsteigen.
Von Heidemarie Klabacher
Ödön von Horváths Komödie in drei Akten „Zur schönen Aussicht“ hatte am Mittwoch (27.2.) im Schauspielhaus Premiere. Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch hat eine Art vergammeltes Marthaler-Hotel geschaffen. Die durchlässigen Gerüstwände können sich heben und senken. Lobby, Speisesaal oder Zimmergang entstehen effektvoll ohne Umbaupausen. An der Burg hat man das jüngst mit dem Holzgestänge von Onkel Wanjas Villa auch so gemacht.
Am Schauspielhaus Salzburg gespielt haben Albert Friedl als Max, Simon Ahlborn als Karl, Marcus Marotte als Müller, Antony Connor als Hotelbesitzer Strasser, Ulrike Arp als Ada Freifrau von Stetten und Olaf Salzer als deren Bruder Bubi.
Sie alle hat Regisseur Peter Raffalt zunächst einmal als pure Karikaturen recht derben Slapstic aufführen lassen. Kein Wort „normal“ sprechen, sondern, je nach Stimmlage, schreien oder kreischen, gerne auch keuchen lassen. Der tiefschwarze Zynismus Horwáths, die Gesellschaftskritik, die noch immer bzw. längst wieder ins Schwarze trifft, hatte in diesem Setting natürlich keine Chance. Klamauk ist Klamauk, nicht mehr und nicht weniger. Aber den haben alle mit bewundernswertem Engagement umgesetzt.
Erst im zweiten Drittel - mit dem Auftritt von Katharina Pizzera als Christine - kamen auch andere Töne, subtilere, dazu. Die Ehrlichkeit dieser Figur, von Katharina Pizzera gerade mit dem richtigen Touch von Naivität und Selbstbewusstsein gefärbt, war überzeugend, ja anrührend. Besonders Ulrike Arps Freifrau bekam in diesem seelischen Umfeld in den letzten Minuten auch noch bewegende Tiefe.
Die verlotterte Gesellschaft, die die junge Frau zunächst mitsamt ihrem Anspruch an den Kindsvater Strasser bloßstellen und demütigen will, steht am Ende in all ihrer Erbärmlichkeit selber bloßgestellt und gedemütigt dar. Der von Regisseur erfundene „Epilog“, in dem (ganz nach Tschechows Diktum "bring 'nen Mann mit Pistole rein") um Christines Geld gekämpft wird, gibt zwar eine gewisse Genugtuung, und erlaubt der Nachfahrin all der in der Gosse gelandeten „Süßen Wiener Mädel“ einen selbstbewussten Abgang als „Moderne Frau“. Ob es dem Stück gut tut, ist nicht ganz so sicher. Immerhin eine Idee, dieser Show-Down, dieser High-Noon um fünf Uhr Morgens.