Wir engagieren die Sänger nicht, wir bauen sie
100 JAHRE MARIONETTENTHEATER / EIN RÜCKBLICK
22/02/13 Am 27. Februar 1913 trat Anton Aicher erstmals mit seinen Holzpuppen in Salzburg auf. Das Marionettentheater ist also älter als die Salzburger Festspiele. Sein hundertjähriges Bestehen feiert man mit einer Ausstellung, der Schneewittchen-Wiederaufnahme von 1957 und einer Neuproduktion von Alice im Wunderland.
Von Heidemarie Klabacher
1959 wurde Anton Aicher geboren, 1912 ging er in Pension, 1913 erfüllte er sich seinen Traum, ein Marionettentheater zu gründen. Die erste Aufführung – „Bastien et Bastienne“ - fand im Hotel Bristol statt. Dann spielten die Marionetten bis 1960 im Festsaal des Borromäums. 1971 wurde der Ballsaal des ehemaligen Hotels Mirabell in der Schwarzstraße für das Marionettentheater adaptiert.
Schon 1932 ist man auf Tournee gegangen, nach Paris: mit dem frühen „Science fiction“-Theater „Die Raumrakete“: „Da gibt es einen zwei Minuten langen Wochenschaubericht, das war eine Sensation“, erzählte Barbara Heuberger, die Geschäftsführerin des Marionettentheaters heute Freitag (21.2.) bei der Präsentation der Jubiläums-Aktivitäten. Die Figuren, nette Aliens mit bizarren Fühlern, sind in der Ausstellung im Foyer des Marionettentheaters zu sehen: zusammen mit dem grafisch reizvollen futuristischen Plakat dieser Produktion von Hermann Aicher, dem „Erneuerer und Visionär“, der bis 1977 das Marionettentheater prägte und leitete. 1936 ging es bereits auf Tournee: nach Russland mit „Der sterbende Schwan“. Die Puppe der legendären Tänzerin Anna Pawlowa feierte Triumphe. Im zweiten Weltkrieg spielte man als „Fronttheater“ in Norwegen, 1945 begann man in Salzburg „das Theater wieder mühsam zum Laufen zu bringen“.
In Salzburg hat dann ein amerikanischer Soldat, der im Privatberuf Theateragent war, die Marionetten erlebt – und gleich die erste Amerikatournee angeleiert. 1951 bis 1956 war man bereits regelmäßig in Amerika zu Gast. Ein Meilenstein war die Erfindung des Tonbandes: 1951 lernte Hermann Aicher in den Niederlanden bei der Firma Philips diese technische Errungenschaft kennen. Zuvor wurden alle Aufführungen, auch auf Tournee, mit Sängern und Musikern live gespielt.
150 Produktionen entstanden in hundert Jahren Marionettentheater – wobei allerdings ein Großteil in die ersten beiden ersten Jahre des Bestehens fällt: Damals waren die Stücke so angelegt, dass vorhandene Puppen, immer wieder in neuen Stücken auftraten: Kasperl und Gretel waren vertrautes Personal. Bei der Jubiläumsproduktion Schneewittchen wird, wie damals, der Kasperl dabei sein: „Bei fast allen Märchenproduktionen hat der Kasperl mitgespielt.“
Heute ist das ganz anders: „Das Marionettentheater ist ein Opernhaus im Kleinen. Nur wir können die Sänger nicht einfach engagieren. Wir müssen die Sänger erst einmal bauen und dann beherrschen lernen.“ 150 neue Figuren braucht es allein für die Neuproduktion „Alice im Wunderland“.
„Die Zauberflöte“ des Marionettentheaters erlebte ihre Premiere 1951 in Boston: Sie wird seither ohne Unterbrechung gespielt: „Es ist die mit Sicherheit langlebigste Inszenierung in der Welt der Oper“, so Barbara Heuberger.
Ab 1977 leitete Gretl Aicher, die Tochter von Hermann Aicher das Marionettentheater. Sie spielte bis zu ihrem Tod vor ziemlich genau einem Jahr, den Papageno, jene Figur, die es im Jubiläumsjahr zu Sondermarkenehren gebracht hat. Mit dem Tod von Gretl Aicher ist die „Ära Aicher“ zu Ende gegangen, die Dynastie Aicher ist erloschen. „Die Prinzipalin war sie und sie soll es immer bleiben. Ich glaube nicht, dass wir diese Position nachbesetzen werden“, sagt Barbara Heuberger, die Geschäftsführerin.
Die Ausstellung „100 Jahre auf einen Blick“ im Foyer des Marionettentheaters erzählt aus dieser Zeit. Beda Percht und Janett Sumbera haben Fundstücke aus Kisten und Schachteln aus hundert Jahren reizvoll inszeniert. In der Eingangshalle wird ein Blick in die Werkstatt geworfen und die Kunst des Puppenbaus anschaulich gemacht. Die Vitrinen im Gang sind neu bestückt mit Szenen aus zahlreichen Produktionen. Im eigentlichen Foyer sind die Wände zur Geschichte geworden: es erzählen Fotos, Theaterzettel und Puppen aus ihrer Geschichte.