Die Säge kann auch singen und säuseln
KLEINES THEATER / LEDERFRESSE
08/02/13 Ein starkes Stück: stark sowohl im Sinne von „starken Bildern“, als auch beachtlicher Leistung der beiden Schauspieler. „Lederfresse“ heißt diese atemberaubende „Tour de Farce“ unter der Regie von Caroline Richards. Premiere war am Donnerstag (6.2.) im Kleinen Theater.
Von Ursula Trojan
Als SIE nach Hause kommt, kann sie nur mehr gellend schreien. ER steht in blutverschmierter Schürze vor ihr, eine Motorsäge im Anschlag. Über das Gesicht hat er sich eine seltsame Ledermaske gezogen, im Hintergrund läuft sein Film-Favorit, das „Texas Kettensägen-Massaker“. Hat er, so wie er aussieht, gemordet? Wird sie sein nächstes Opfer sein? Langsam entspannt sich die prekäre Lage. Es ist nichts passiert. „Es ist nur ein Kostüm“, sagt er, unangenehm berührt, weil sie ihn in diesem Aufzug und in Action nicht hätte sehen sollen. Was folgt, sind beziehungstechnisch bedingte Frage- und Antwortspiele. Warum sei sie überhaupt jetzt schon zu Hause? Warum befolge sie nie seine Anweisungen, zum Beispiel gerade vorhin, als er sie ja davor gewarnt hatte, herein zu kommen und das Licht aufzudrehen. Er wolle doch immer alles nur zu ihrem Besten…
Der Autor Helmut Krausser sagt über sein Stück: „Lederfresse behandelt mein Lieblingsthema: die chronischen Angstzustände der aus den Fugen brechenden Westwelt, die daraus entstehenden Masken und Mutationen, die völlige Aufhebung der Wirklichkeit in der Simulation“.
Die beiden Schauspieler Melanie Arnezeder und Bálint Walter setzen dieses lustvolle Changieren zwischen Angst und Überheblichkeit gekonnt um. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Hier wird gespielt – nicht nur innerhalb der Paarbeziehung, sondern auch gegenüber der „Welt da draußen“. Jedes Beutetier will auch einmal zum Raubtier werden, und sei es nur für eine – aufregende – Nacht. Bálint Walter agiert mit viel komödiantischem Talent in diesem rabenschwarzen Stück. Melanie Arnezeder vermag mit Leichtigkeit verschiedene Stimmungsfacetten aufzuzeigen und darin umherzuspringen. Die Figuren beider verlangen viel körperlichen Einsatz. Pausiert das Rollenspiel im Spiel, wird kurzfristig Schattentheater eingesetzt: so wird trotzdem „alles“ gezeigt, muss auch nicht die Erotik auf der Strecke bleiben. „Theaterverein Janus“ nennen sich Melanie Arnezeder und Bálint Walterals Ensemble.
Da ER Schriftsteller ist, spielt er zudem gerne mit Worten. Der Kettensäge wird viel von ihrem Schrecken genommen, weil sie auch singen und säuseln kann.