Es menschelt gar fürchterlich
LANDESTHEATER / WIR GRÜNDEN EINE BANK
26/11/12 Behaupte keiner, dass mit falschen Karten gespielt würde: Was man da veranstalte, sei „weder Schauspiel noch Theaterstück“ sagt einer der Vorstände bei der imaginären Aktionärsversammlung. Nein, beides definitiv nicht. „Wir gründen eine Bank“ ist Bühnen-Aktivismus der knöchernsten Art.
Von Reinhard Kriechbaum
Je nach Farbe der Eintrittskarte beginnt man den Abend vor oder hinter der Bühne. In der Pause wechselt das Publikum die Schauplätze. Im Zuschauerraum des Salzburger Landestheaters sind wir Zeugen einer imaginären Aktionärsversammlung: Geschleckte Aufsichtsräte treten auf und langweilen mit elendslangen Nullmeldungen. Aber es gibt einige Wissende im Publikum – die Mitglieder der „Bürgerbühne“ (der Laienspieler-Crew am Landestheater). Die lassen sich nichts vormachen von denen da oben, und legen lautstark los: von der Finanzwirtschaft frustrierte Wutbürger. Irgendwann kippt die Angelegenheit ins Groteske. Der Firmengründer, der in Wirklichkeit nichts mehr zu sagen hat, nimmt seinen Aufsichtsrat, seine Manager und das Publikum als Geiseln. Er hat einen Sprengstoffgürtel umgeschnallt (er muss geahnt haben, dass die Versammlung ungemütlich wird) und fuchtelt wüst mit einer Pistole herum. Er fordert die anderen auf, ihre „Hosen runterzulassen“, sprich: den Aktionären reinen Wein einzuschenken. Die seriöse Podiums-Personnage trägt ihre Meinungsverschiedenheiten alsbald in wüstem Handgemenge aus.
Das also ist der Abschnitt „Bankrott“, für den Astrid Großgasteiger als Regisseurin, Text-Kompilatorin und Dramaturgin verantwortlich zeichnet. Salzburger Menschen haben im Vorfeld Texte und Ideen einbringen dürfen, es ist ein Lesebuch entstanden und eben diese höchst eigenartige, tödlich langweilige Bühnenshow.
Der Schallvorhang ist ziemlich dicht, aber man bekommt doch mit, dass es auf der anderen Seite auch nicht gerade leise zugeht. Dort spielt man in der Regie des Intendanten Carl Philip von Maldeghem eine dramatisierte Fassung von Emile Zolas Roman „Geld“. Das ist die Geschichte von einem Luftschlossbauer, der eine Finanzblase sondergleichen aufbläst. Natürlich platzt sie am Ende. Tim Oberließen ist dieser Bankengründer, der schier übersprudelt vor Begeisterung über sich selbst. Es wird alles getan, dass man auch auf dieser Seite des Vorhangs die Leute von der „Bürgerbühne“ nicht bloßstellt. Auf inbrünstigem Laientheaterniveau werden pralle Figuren entworfen, die sich genau so aufführen, wie sich der kleine Maxi Bankmenschen, Lobbyisten, Investoren, Journalisten und so weiter vorstellt. Das ist alles sehr grell und durchschaubar.
Am Ende geht der Vorhang zwischen beiden Schauplätzen hoch, und die Personnage beider Stücke findet zusammen. Was haben wir gelernt? Die beiden Yuppies gar nichts, sie machen sich augenblicklich daran, wieder undurchsichtige Dinge auszuhecken. Die Geläuterten aber überlegen, wie wohl eine gerechte zu gründende Bank funktionieren müsste. Den Forderungskatalog kann man auch nachlesen. Diese Petition werde „an alle österreichischen Banken, an die österreichische Regierung sowie an deutsche Bankinstitute kommuniziert, damit die Bürgerwünsche die entscheidenden Gremien erreichen“, heißt es im Programmheft. Die Adressaten werden sich wundern. Aber wie sagt doch einer ganz treffsicher: „Veränderung kann nur außerhalb des Theaters stattfinden.“
„Wir gründen eine Bank“ ist ein ambitioniertes Unternehmen. Die Theaterleute haben ihre Ohren an die Münder engagierter Bürger gehalten. Herausgekommen ist eine dreistündige, grelle, überlaute und ermüdende Performance. Letztlich eine ziemlich knöchernes Revival von „Theater als moralischer Anstalt“. Aber es wird schon gut und richtig sein, wenn’s jemand den bösen Bankern mal so richtig hinein sagt. Es war wohl höchste Zeit.