Das unpoetisch Dahergesagte stört ungemein
TOIHAUS / MOHR IM HEMD
26/02/12 In der neuen Produktion des Toihauses „Mohr im Hemd“ wird mit Eifer gesucht, was Leiden schafft. Eine Künstlertruppe macht sich – nicht immer ganz ernste – Gedanken rund um ein Taschentuch und gibt sich „Sehr frei nach W. Shakespeares Othello“. Premiere war am Samstag (25.2.).
Von Ursula Trojan
Schon während sich das Publikum im Foyer sammelt, weisen erste Eindrücke auf das Kommende hin: Die Türen sind geöffnet, der Blick auf die Bühne frei. Tänzer, Schauspieler und Musiker wärmen sich auf, dehnen sich, plaudern, lachen. Das verändert sich auch während - und sogar nach dem Einlass - nicht. Soll auch nicht sein, denn es wird ja nicht das klassische Stück gegeben. Viel mehr wird vorgeführt, wie sich eine Theatertruppe auf einen Abend vorbereitet, an dem über Othello improvisiert werden soll.
Die Erzählerin und zugleich Darstellerin der Emilia (Susanne Lipinski) baut ein Bügelbrett auf und beginnt, den Inhalt zu erläutern. Die handelnden Figuren werden wie zufällig mittels kleiner Wäschestücke eingeführt. Zeitgleich bewegen sich Tänzerin und Tänzer (Pascale Staudenbauer und Felipe Salazar Hidalgo) als Desdemona und Othello in – noch – unaufgeregten Positionen. Ein wilder Geselle (Arturas Valudskis als Jago) mit furchteinflößend rauer Stimme umkreist das Geschehen und mischt intrigant mit. Und doch sind sie alle ganz privat unterwegs, debattieren Belangloses, streiten…
Das internationale Ensemble des Toihauses will mit dem provokanten Titel „Mohr im Hemd“ zum Nachdenken anregen und „an Sinnlichkeit und puren Genuss“ der beliebten heimischen Süßspeise erinnern: „Wenn die heiße Schokolade den Magen wärmt und einem der süße Mohr dann in der Kehle stecken bleibt, am Ende des Abends“, liest man im Programm. Der Mohr, der eigentlich ein Maure war und kein Schwarzafrikaner: In dieser Produktion trägt er schlicht schwarze Handschuhe zum weißen Hemd. Das ehemals wertfreie Wort „Mohr“ sollte wieder rehabilitiert werden.
Zurück zum Treiben auf der Bühne. Von Herbert Pascher am Cello begleitet entstehen fantastische Bilder, wenn die Agierenden die herabhängenden Schleiervorhänge mit einbeziehen. Hier stört das unpoetisch Daher gesagte ungemein. Man ist versucht, die Worte auszublenden und sich auf die Ästhetik des Tanzpaares zu konzentrieren. Möge der Inhalt nun grad nicht verulkt werden. Der Wunsch nach nonverbalen, rein bewegten (und bewegenden!) Othello-Szenen keimt, denn Einfälle und Ansätze dazu gäbe es in dieser Inszenierung (Choreografische Begleitung: Cornelia Böhnisch) ausreichend.
Wer „Othello“ von der Oper oder vom Sprechtheater her kennt, ist nun erstaunt, auf welche Weise und wie berührend Desdemona noch sterben kann. Dies und ein auch akustisch effektvolles Spiel mit Schleier und Taschentuch stehen einem derben, wahrhaftigen „Niederbügeln“ von Emilia durch ihren Mann Jago gegenüber. Wie die gegensätzlichen Darbietungen sind auch die Gefühle zwiegespalten an diesem Abend. Die Idee, ein Stück über die Zeit vor der eigentlichen Aufführung zu gestalten, mag originell sein. Für einen Theaterabend bleibt die Sicht auf das Gesamte aber seltsam verschleiert und verhuscht.