Kultur-Zusammenstöße
HINTERGRUND / ODEION / FREMD IN DER FREMDE
15/02/12 Wieviel Verrücktheit muss im Spiel sein, wenn eine Pädagogin einer Schule sich vornimmt, mit gewaltbereiten muslimischen und türkischen Migranten der dritten Generation ein Theaterprojekt auf die Beine zu stellen und dazu ausgerechnet Friedrich Schillers „Räuber“ und „Kabale und Liebe“ auswählt? Eine Theaterprobe also ist Szenario für das Stück „Verrücktes Blut“ von Nurkan Erpulat und Jens Hillje, das in Berlin bereits für Furore gesorgt hat.
Morgen, Donnerstag (16.2.) beginnt im Odeion ein kleines Theaterfestival zum Thema „Fremd in der Fremde“: vier Theaterproduktionen unterschiedlicher internationaler Ensembles stehen auf dem Programm. "Verrücktes Blut" bildet den Auftakt. Diese Variante einer „Spiel im Spiel-Ästhetik“ und soll nicht nur das soziale Miteinander der Jugendlichen, sondern auch ihre Sprachkompetenz verbessern. „Verrücktes Blut“ wirft kontroverse Fragen auf: Wie können tradierte archaische Werte der islamischen Kultur in einem säkularen Rechtsstaat koexistieren? Warum existiert immer noch eine Parallel-Gesellschaft statt Diversitätschancen zwischen Kulturen? Welche Aufgabe hat dabei die Institution Schule in der Migrations- und Bildungsdebatte? Michael Kolnberger setzt das Stück in Kooperation mit dem Odeïon um. Premiere ist am Donnerstag (16.2.) um 19.30 Uhr.
Das mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnete und in 16 Sprachen übersetzte Stück „Nordost“ von Torsten Buchsteiner thematisiert die Geiselnahme durch tschetschenische Terroristen im Moskauer Dubrowka Theater im Oktober 2002. Unter den Geiselnehmern waren auch zwanzig „Schwarze Witwen“, tschetschenische Frauen, die Angehörige im Krieg verloren hatten und daraufhin zu Kämpferinnen und Terroristinnen wurden. Mit ihnen haben die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel Interviews geführt und für das Stück „Schwarze Jungfrauen“ in zehn Monologe verwandelt. Die beiden Stücke sind am Freitag (17.2.) zu erleben, in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Es ist ein Gastspiel des Russischen Nationaltheaters Kiew. Nach der Aufführungen ist ein von der Plattform Menschenrechte veranstaltetes Podiumsgespräch vorgesehen.
Ein weiteres Gastspiel ist die Produktion „Barfuß Nackt Herz in der Hand“ vom iranischen Autor Ali Jalaly der Studiobühne EXTRA München, mit dem in Salzburg bestens bekannten Jurij Diez. Der Ausgangspunkt ist der Brandanschlag auf ein von einer türkischen Familie bewohntes Haus in Solingen. Schauspieler und Autor stehen danach für ein Publikumsgespräch zur Verfügung.
Den Rahmen zu diesem dreitägigen Theaterfestival bilden sowohl Podiumsdiskussionen und Publikumsgespräche als auch die Ausstellung „Mein Österreich. MigrantInnen und ihre zweite Heimat“ im Foyer des Odeïon.