asdf
 

Wie das Leben so spielt

WINTERFEST / CIRQUE RASPOSO

28/11/11 Der Patriarch trinkt noch sein Gläschen aus, da stolpert der Familien-Tolpatsch daher, killt das Tischbein - und reißt sich selber schier die Glieder aus, beim Versuch, das Missgeschick zu beheben. Der alte Herr sitzt dieweil unbewegt an der schiefen Ebene und fängt gelegentlich einen rutschenden Teller.

Von Heidemarie Klabacher

altDie Mitglieder der Familie Molliens sind nicht nur in der Manege miteinander verwandt. Vielleicht liegt es daran, dass die Geschichten aus dem Leben einer Zirkusfamilie so überzeugend sind. So selbstverständlich.

Da wird der alte Divan hinausgestellt – zum Lüften vielleicht. Kann überall vorkommen. Dass er freilich alsbald als Auffangmatte dient nach akrobatischen Sprüngen und Luftschrauben wird schon sehr viel seltener passieren.

Dass einer seine Freundin  betrügt, soll auch schon da gewesen sein. Dass im Handstand gestritten wird - auf dünnen Stangen - ist schon nicht mehr so alltäglich. Auch nicht dass der charmante Macho ausgerechnet mit einer atemberaubenden Äquilibristik-Nummer Eindruck schindet und mit einer Dame aus dem Publikum abzieht.

alt

Dass die empörte Freundin ein kleines Alkoholproblem entwickelt hat, ist traurig, aber nicht verwunderlich. Zum Staunen ist freilich, wie sie sich in ihrer einsamen Künstlergarderobe in eine geradezu überirdisch liebreizende Zirkusprinzessin verwandelt, die zwischen Trunkenheit, Trotz und Traum auf Händen steht und sich mit den Zehen die Federboa um den Hals legt oder im Standspagat den roten Strumpf anzieht.

Ein anderer aus der Truppe ist ein rechter Choleriker – er schreit mit seiner Partnerin ebenso herum, wie mit dem Publikum, ist aber immer zu Stelle, wenn Kraft gefragt ist. Auch die andere Frau in der Truppe scheint nicht ganz glücklich zu sein, zumindest ihre Seilnummer hat nichts vom lieblichen Tänzeln, das solchen Nummern üblicherweise eignet. Auch ist das Schirmchen grau, nicht rot.

Liebe, Eifersucht, Versöhnung – all das ganz gewöhnlich Menschliche nehmen die Mitglieder des Cirque Rasposo zum Ausgangspunkt für ihre ganz und gar außergewöhnlichen und atemberaubenden Nummern. Die Französische Truppe ist bereits zum zweiten Mal zu Gast beim Winterfest im Volksgarten: „Der Gesang des Truthahns“ heißt „Le Chant du Dindon“ auf Deutsch. Und ein Truthahn kommt tatsächlich vor – bei aller Turbulenz liebevoll bewacht und betreut.

altDass ein Kristall-Luster abstürzt, ist als Alltagsunfall ebenfalls vorstellbar. Dass es dabei keine Scherben gibt, schon weniger. Im Cirque Rasposo entstehen aus den Teilen des großen Lusters elegante Leuchten, die mit ihrem Schaukeln und Schweben eine ganz überirdische Atmosphäre verbreiten. Irgendwie findet sich zwischen den Lustern Platz und Raum für eine Trapeznummer…

Verbunden werden all diese Episoden und Geschichten von Vincent Molliens, der als Tolpatsch vom Dienst, Requisitenträger, Fänger bei der Trapeznummer oder Unterster in einem Menschenturm einfach überall - und mit seinem breiten Lachen Herz und Seele des Ganzen - ist.

Auch in dieser heiter-turbulenten Zirkusproduktion spielt die Musik (ein wenig laut) eine zentrale Rolle. Immer wieder versuchen die Artisten die Musiker als Partei in ihre  Zankereien hineinzuziehen – was man sich verbietet. Doch einmal wird dem Kontrabassisten ein arger Streich gespielt: Er wird zusammen mit seinem Instrument in eine Balance-Nummer mit Sesseln integriert. Was ihn aber nicht daran hindert, seine Bassfigur unermüdlich weiterzuspielen.

Bilder: Winterfest

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014