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Weichgespülte Boshaftigkeit

ANDESTHEATER / MEINE PREISE

26/09/11 „Hier hat, so dachte ich immer, mein Charakter ein großes Leck. Ich verachtete die, die die Preise gaben, aber ich wies die Preise nicht strikt zurück.“ Thomas Bernhards selbstkritische Schelmenprosa „Meine Preise“ fand am Freitag (23.9.) in der Neuen Residenz den Weg auf die Bühne.

Von Harald Gschwandtner

altSie waren ihm zuwider wie kaum etwas anderes: die Preisverleihungszeremonien mit ihren verständnis- und nicht selten geschmacklosen Reden staatlicher und sonstiger Würdenträger. Umrahmt von Streichquartetten, untermalt vom „leise[n] MinisterSchnarchen, das weltbekannt ist“. Und so war es ihm stets eine unverhohlene Freude, die anwesenden Honoratioren mit knappen, aber umso schärferen Gruß- und Dankesworten herauszufordern, ja gezielt zu provozieren.

„Der Staat ist ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern, das Volk ein solches, das ununterbrochen zur Infamie und zur Geistesschwäche verurteilt ist“, wusste Thomas Bernhard etwa 1967 anlässlich der Überreichung des (Kleinen!) Österreichischen Staatspreises zu berichten. Unterrichtsminister Theodor Piffl-Per?evi? – O-Ton Berhard: „es mag sein, daß er etwas von steirischen Kälbern und Kühen und von obersteirischen Schweinen und von untersteirischen Mistbeeten verstand, von Kunst und Kultur verstand er jedenfalls nichts“ – stürmte medienwirksam aus dem Saal.

altAber gerade abseits vom Groll des unbequemen Dichters liegt die entscheidende Qualität dieser 2009 aus dem Nachlass herausgegebenen autobiographischen Texte. Wenn er zugibt, „zur toten Selbstbeurteilung“ „nicht fähig“ zu sein, sich selbst der Geldgier und Charakterlosigkeit bezichtigt, verbindet sich das Monomane auf so wunderbare Weise mit Bernhard’scher Koketterie, dass die Freude an der Lektüre eine kaum enden wollende ist. Immer wieder gibt der Autor zu, die Ehrungen nur über sich ergehen zu lassen, weil die Preissumme ihm eine Anzahlung für seinen Vierkanthof in Nathal oder die Anschaffung eines eleganten Sportwagens ermögliche. Zumindest solange, bis sich der Verkaufserfolg seiner Bücher einstellte, war er auf das Geld der ‚Geschmacksdilettanten‘ angewiesen. Indes ist „Meine Preise“ nicht zuletzt eine heitere biographische Skizze, neben dem Briefwechsel mit Siegfried Unseld eine großartige Gelegenheit, Thomas Bernhard abseits hartnäckiger Stereotypen näher zu kommen.

Und so war denn auch die Premiere der Bühnenadaption im Ständesaal der Neuen Residenz eine unterhaltsame und hochkomische Angelegenheit. Doch kann bei all der Heiterkeit die Frage nicht ausgespart bleiben, woran genau die genuine Leistung der Inszenierung (Szenische Einrichtung: Cornelius Gohlke) dieser Prosaarbeit festzumachen ist. Wo liegt der qualitative Vorsprung gegenüber der gemütlichen Lektüre am heimatlichen Sofa? Warum geschliffene Prosa gekürzt und neu zusammengesetzt auf die Bühne bringen, wenn man sie ebenso – lesen könnte?

Das im Vorspann des Abends und dann zwischen den einzelnen Textblöcken Bekanntes von Mozart bis Schubert spielende Kairós-Quartett ist nicht unbedingt ein Argument, auch weil seine dramaturgische Funktion nicht über Pausenmusik hinausgeht. Das ließe sich mit Kopfhörern im stillen Kämmerchen ebenso bewerkstelligen.

altWerner Friedel als Bühnen-Bernhard überzeugte da schon viel eher! Einen schelmischen Dichter stellt er vor. Einen, dem selbst im boshaftesten Furor immer wieder ein verschmitztes Lächeln entschlüpft, aber auch das berühmte „Todesvogerl“ aus dem Interview mit Krista Fleischmann nie von der Schulter flattert. Hoch anzurechnen ist ihm vor allem, dass er sich bis auf eine kurze Ausnahme nie an den Bernhard’schen Duktus anbiedert, sondern einen eigenen, überzeugenden Weg durch den Text findet.

Eva Christine Just sitzt als „Tante“ im Hintergrund, liest einschlägige Theatermagazine und hilft dem Gedächtnis des Gefährten ein ums andere Mal auf die Sprünge. Mit den wenigen Worten ihrer Kleinstrolle schafft sie es dennoch, eine beachtliche Bühnenpräsenz zu entwickeln. So entstehen Ansätze von Dialogizität, versanden aber schnell wieder. ‚Inszenierung‘ heißt hier nicht zu Unrecht bloß ‚szenische Einrichtung‘.

Mit „Meine Preise“ hat das Landestheater einen vergnüglichen Abend, eine unproblematisch zu konsumierende Collage aus Bernhards Nachlass mit musikalischer Begleitung zusammengestellt. Alles ist stimmig – selbst die Salzburger Honoratioren lachen in der ersten Reihe herzhaft mit. Dass just die Bernhard’schen Tiraden gegen katholische Nationalsozialisten mittlerweile allgemeine Fröhlichkeit auslösen und in der hier präsentierten Strichfassung „Meine Preise“ mit dem versöhnlichen, ja für Bernhards Verhältnisse beinahe philanthropischen Text zum „Literaturpreis der Bundeswirtschaftskammer“ ausklingt, zeigt, dass selbst die schärfste Provokation mit den Jahren Patina ansetzt. Ob es ein Ruhmesblatt ist, an dieser schleichenden Sedierung mitzuwirken, ist eine andere Frage.

Bilder: Landestheater/Jürgen Frahm

 

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