Venezianische Untergründe
SCHAUSPIELHAUS/ DER HERR DER DIEBE
23/05/11 Im Sternenversteck, hoch oben im Dachgeschoss eines alten geschlossenen Kinos, wird noch ein letztes Mal der Einbruchsplan durchdacht: Wer kommt mit, wer steht Wache? Es scheint das bisher größte Abenteuer zu werden …
Von Isabell Spanier
Ein Auftrag mit dem Conte soll 5000 Euro einbringen. Als Gegenzug soll der Herr der Diebe einen geheimnisvollen Flügel einer Holzfigur besorgen. Der ist Teil eines magischen Karussells, das aus Erwachsenen Kinder und aus Kindern Erwachsene macht. „Spielt das Alter eine Rolle bei unseren Geschäften?“ - „Keineswegs!“
Scipio ist 12 Jahre alt und bekannt als „der beste Dieb Venedigs“. Um ihn herum und bereit zur Tat sind die Straßenjungs Wespe, Riccio und Mosca. Auch Bo und Prosper sind dabei, die in der Kinderbande eine neue Familie gefunden haben. Nach dem Tod ihrer Eltern haben beide von ihrem neuen Zuhause reiß aus genommen. Grund hierfür ist ihre unausstehliche Tante und der von ihr kleingehaltene Onkel Max. Venedig ist das Ziel der Reise, denn die Stadt verbindet sie am meisten mit ihren Eltern.
Allerdings lassen Tante Esther (Sandra Müller) und Max (Christoph Griesser) nicht so schnell von ihren Sprösslingen ab und beauftragen den Detektiv Victor Getz die Kinder zu finden und zurück zu bringen. Volker Wahl verkörpert die Rolle als Detektiv so glaubwürdig, witzig und charmant und sorgt damit für konstante Erheiterung - allen voran bei den jungen Zuschauern. „Ich bin nun auch erkältet, habe mich bei einer meinen Schildkröten angesteckt!“
Ungewöhnlich ruhig sitzen die jungen Zuschauer in der über zweistündigen Aufführung auf ihren Stühlen. Gebannt verfolgen sie die Abenteuer von Bo (Anna Frommann), Prosper (Stefan Wunder) und Scipio (Benedikt Vyplel). Die Regisseurinnen Bernadette Heidegger und Marion Hackl punkten mit der Dramatisierung von Cornelia Funkes „Der Herr der Diebe“ auf allen Punkten.
Mit einer sehr wandelbaren Kulisse (Ausstattung: Ragna Heiny) findet man sich zunächst im Sternenversteck, dann in einer Kathedrale mitsamt Beichtstuhl und blitzartig inmitten Venedigs Karneval wieder. Hier runden nicht nur aufwändige Kostüme und Masken, sondern auch Geräusche und musikalische Arrangements das Gesamtbild ab. Die Gondelfahrt zur Geheimen Insel lässt einen besonders hautnah dabei sein. Man setzt treffsicher auf musikalische Begleitmusik, aber auch auf moderne Lichteffekte. Viel Witz und Charme strukturieren das Stück. So zum Beispiel eine kostümierte Venezianerin, die eine italienische Speisekarte hoch und runter singt und als Operngesang verkauft. Da lachen vor allem die älteren Theatergänger, die Aufführung taugt zum Familienausflug.
Es geht es um Verlust („Ich habe meinen Papa gesehen!“ – „Bo, euer Vater ist schon lange tot“), aber auch um Verantwortung, Freundschaft und um Verzeihen. Doch noch viel mehr geht es ums Erwachsenwerden. „Was wissen Sie schon, Sie sind erwachsen!“ – „Ich wünschte ich wäre es auch, dann wäre vieles einfacher!“