Feen und Geister sind auch nur Menschen
SCHAUSPIELHAUS / DER BAUER ALS MILLIONÄR
06/05/11 So juvenil wie die bald achtzigjährige Julia Gschnitzer kann die Jugend sein! Für ihr Lied „Brüderlein fein“ kommen die drei Musiker sogar auf die Bühne, und das ist eine der ruhigsten und intensivst wirkenden Szenen in der Neuinszenierung von Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“.
Von Reinhard Kriechbaum
Durchs Fenster steigt die zarte Jugend im weißen Hosenanzug ein. Ihr Lied begleitet die Klarinette mit melancholischen chromatischen Schnörkseln, die Bassgeige poltert, wenn die gesungenen Sätze etwas Bedrohliches haben. – Die Musik ist ganz neu für diese Aufführung: Christoph und Ilona Lindenbauer (Bassgeige, Gitarre/ Ziehharmonika, Gesang) und Manfred Wambacher (Klarinette, Saxophon) nennen sich als Ensemble „Bock auf Heidi“.
Lustvoll lassen sich die drei ein auf Raimunds Zaubermärchen, das ja dezidiert ein solches „mit Musik“ sein soll. Das klingt in den ersten Takten nach Klezmer, über weite Strecken sehr nach Chanson (Ilona Lindenbauer versteht sich auf die einschlägigen Stilmittel) und mündet, wenn es auf Geheiß von Neid und Hass ans Kegelspielen geht, in einen heftigen Rap: „Geld kann ich jederzeit machen und vernichten …“ Christoph Lindenbauer hat sogar das berühmte Aschenlied neu getextet und neu komponiert.
Die Musik ist also etwas Heutiges, Frisches, Verbindendes in dieser Aufführung, die szenisch handfestes bis deftiges Volkstheater bereit hält. Feen und Geister sind auch nur Menschen, lernen wir, sie intrigieren auf Teufel-komm-raus und sind manchmal zaghaft, verunsichert und frustriert wie unsereiner. Die Gedanken von Robert Pienz zum Stück – der Mensch als Spielball der Mächtigen, im Raimund’schen Vormärz nicht anders als heute in der Hoch-Kapitalgesellschaft – muss man aus der Inszenierung nicht unbedingt herauslesen. Jedenfalls springen sie die Zuschauer nicht an. Eher hat der Regisseur dann doch auf die Situationskomik gesetzt, auf all die kleinen Blessuren und Macken der bestenfalls viertelgöttlichen Fädenzieher.
Wie sich Elke Hartmann als Fee Lakrimosa ihrer einst beim Bauern Fortunatus Wurzel zwangs-exilierten Tochter annähert, ist eine poetisch liebevoll ausgemalte Szene. Georg Reiter als Fortunatus Wurzel ist eine im Wortsinn runde Person, ein neureicher Prolet, der doch mit dem Charme eines Gemütsmenschen punktet. Maximilian Pfnür ist als Fischer Karl ein sanguinischer Liebhaber des armen Lottchen (Constanze Passin), das keine Ahnung hat, wie die Zauberwesen ihr und den anderen Menschen mitspielen.
Ajaxerle – Marcus Marotte – ist die prallste Theaterfigur des bündig und ohne Pause durchgespielten Abends: „Lakrimosens Vetter und Magier aus Donau-Eschingen“ (wie es bei Raimund heißt) hat den schwäbischen Dialekt drauf. Als gemütliches Zipfelmützen-Männchen steht er oft rührend hilflos da. Mit Neid und Hass (Olaf Salzer, Timo Senff) ist nicht zu spaßen. Albert Friedl wäre als Diener Lorenz eine an Nestroys Subalterne gemahnende Figur, wenn er nicht angehalten wäre, immer des Aufmüpfigen ein wenig zu viel und das auch zu laut zu machen. Er müsste nicht bei jedem Satz die Zähne fletschen und die Faust ballen. Julia Gschnitzer spielt natürlich nicht nur die Jugend, sondern auch das hohe Alter, und da hat sie manche Lacher auf ihrer Seite.
Bezaubernd die Ausstattung von Ragna Heiny: Vier Bilderrahmen führen in die Bühnentiefe, allerlei Dreh- und Schiebe-Effekte imaginieren ein Zaubertheater. Da dürfen wir uns tatsächlich fragen, ob all die Zauberwesen in ihrem Machtkampf auf dem Rücken der armen, nein: der zu unverdientem Reichtum kommenden Menschlein noch „im Rahmen“ bleiben.