Nach der Wut kommt das Schweigen
HINTERGRUND / MAREIKE FALLWICKL
27/03/25 Die Kleinen quengeln, die pubertäre Vierzehnjährige ist aufsässig. „Haben wir kein Salz?“, hat Ehemann Johannes bei Tisch fast nebenher gefragt. Seine Frau Helene ist daraufhin aufgestanden, hat ein paar Schritte auf den Balkon gemacht und sich in die Tiefe gestürzt.
Von Reinhard Kriechbaum
So beginnt Mareike Fallwickls Bestseller-Roman Die Wut, die bleibt. Die Uraufführung der Dramatisierung im Festspielsommer 2023 war ein Riesenerfolg und ebnete der Salzburger Autorin und Zeitungskolumnistin den Weg auf prominente Bühnen. Die festspiel-Inszenierung wird gerade im Staatstheater Hannover gezeigt. Am 11. April wird im Burgtheater Mareike Fallwickls Ein-Frau-Stück Elisabeth! aus der Taufe gehoben. Stefanie Reinsperger wird die Kaiserin spielen, die wir da wohl aus einer betont heutig-feministischen Perspektive kennen lernen werden.
Eine Woche zuvor, am 5. April, kommt im Salzburger Landestheater die Bühnenfassung des Romans und alle so still zur Österreichischen Erstaufführung. „Die Wut, die bleibt zeichnet die Realität ab, während Und alle so still zeigt, wie die Welt sich ändern könnte“, erklärt die 1983 in Hallein geborene Autorin. „Deshalb ist der eine Roman meiner Tochter gewidmet, damit sie weiß, in welcher Situation wir Frauen uns befinden, und der andere meinem Sohn, damit er versteht, dass die Männer sich neu orientieren müssen, dass wir nur vorankommen werden, wenn wir in dieselbe Richtung gehen – gemeinsam.“
Alle so still also: Frauen liegen auf der Straße, reglos. Bei dieser schweigenden Protestaktion, die eine Welt im Stillstand suggerieren soll, kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, ist etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, hat die Schule abgebrochen und versucht sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Essenslieferant über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, arbeitet als Pflegekraft im Krankenhaus. Ihr Pflichtgefühl scheint unerschöpflich. Mit der nun einsetzenden Revolte tun Frauen nicht mehr das, was sie immer getan haben und was von ihnen wie selbstverständlich erwartet wird. Mit der verweigerung von Care-Arbeit steht plötzlich vieles in Frage, worauf unser System fußt.
Die Identifikationsfiguren „springen einen an (auch als Mann)“, schrieben wir nach der Uraufführung von Die Wut, die bleibt bei den Festspielen vor anderthalb Jahren. „Mareike Fallwickl hat keine Angst vor Klischeebildern, eben weil viele dieser Vorstellungen ja unmittelbar weibliche Lebensrealität abbilden.“ Die Erwartungen ihrer mehrheitlich weiblichen Lese-Zielgruppe erfülle sie „geschmeidig, indem Grundanliegen des Feminismus sehr geradlinig geerdet werden“. Das alles sei „fast unverschämt geradlinige Rattenfängerei in Sachen angewandtem Feminismus“.
Jedenfalls ist auch diesmal mit besonderem Interesse seitens des Publikums zu rechnen, und so schickt das Landestheater am kommenden Sonntag (30.3.) gleich zwei einführende Veranstaltungen in den Kammerspielen voraus. Regisseurin Susanne Schmelcher und Dramaturgin Friederike Bernau (die gemeinsam die Bühnenfassung erstellt haben) sind dabei, die Ensemblemitglieder Nikola Jaritz-Rudle, Aaron Röll und Britta Bayer – und natürlich die erfolgreiche Autorin.
Lesung und Künstlergespräch am 30. März um 16 und 19 Uhr in den Kammerspielen des Landestheaters
Premiere „Und alle so still“ am 5. April, Aufführungen bis 15. Juni – www.salzburger-landestheater.at
Uraufführung „Elisabeth!“ am 11. April im Burgtheater – www.burgtheater.at
Bücher von Mareike Fallwickl – www.rowohlt.de
Bild: Bild: rowohlt / Gyöngyi Tasi
Zur Leseprobe Nackte Füße und durchgestrichene Namen