Schleunigst die Festplatte schreddern!

SCHAUSPIELHAUS / KLEINE GEISTER

26/02/24 „Kriegst eh alles, was du willst.“ Der Satz hat nicht fehlen dürfen in in Theodora Bauers im Schauspielhaus Salzburg uraufgeführtem Stück Kleine Geister. Ist es eine heftige Polit-Satire oder bloß eine Überhöhung von Sittenbildern auf der Polit-Bühne, wie wir sie tagtäglich beobachten können?

Von Reinhard Kriechbaum

Jedenfalls versichert Theodora Bauer im Programmheft-Interview, dass sie für Kleine Geister nicht lange habe recherchieren müssen. Die Uraufführung am Freitag (23.2.) im Schauspielhaus Salzburg hat bestätigt: Die Nachrichten haben ihr genug Zitat-Fähiges frei Haus geliefert, das sich ganz leicht in eine Skurrilitätenschau hat verwandeln lassen. Eher hat sich zu viel Material angesammelt.

Jedenfalls wird man in 110 Minuten durchaus überstrapaziert mit Realsatire. Weniger wäre mehr.

Kleine Geister ist schon das zweite Stück der 1990 in Wien geborenen Autorin, das in Salzburg uraufgeführt wurde. 2019 hat das Landestheater papier.waren.pospischil aus der Taufe gehoben. Auch das war ein Parforce-Ritt an Bracchialkomik. Da schrieb unser Rezensent, dass eine Inhaltsangabe die überdrehte Sache schwerlich vermitteln kann. Gilt auch für Kleine Geister, aber versuchen wir's trotzdem.

Mit Gepolter schlägt Urban (Paul Graf) auf dem harten Boden der Hölle auf, wo der Chef-Teufel Volant (Florian Stohr) damit beschäftigt ist, sich einen lässigen, modernen Touch zu geben. Ältere Versionen à la „Der Geist der stets verneint“ seien ja etwas für Bildungsbürger, befindet er. Eine temperamentvoll-agile Dame mit Namen GT (Sophia Fischbacher) ist so wie Urban ein Höllen-Neuling. Quasi als Bewährungsprobe müssen die beiden nochmal rauf auf die Erde – und ausgerechnet an den Ort, dem sich Urban durch Sprung aus dem Fenster entzogen hat: in die Parteizentrale im High-Noon eines Wahlkampfs, wo gelogen und schöngefärbt wird auf Teufel-komm-Raus. Die Höllen-Intervention kommt nicht von ungefähr. Urban muss jenen verschollenen Laptop ausfindig machen und schreddern, dessen Inhalt offenbar den Wahlausgang negativ beeinflussen könnte. Kein Problem für den suizidalen Ex-Parteisekretär. Schließlich waren besagter Laptop und dessen in einem Blumentopf verborgene Festplatte seine eigenen Arbeitsgeräte.

Urban ist trotz Parteiarbeit ein guter aufrichtiger Kerl geblieben. Er versucht mit einem faulen Trick, so etwas wie Wiedergutmachung, indem er den Inhalt der Festplatte einer Zeitungsredaktion zuspielt. Damit verhindert er den Wahlsieg der Partei freilich nicht, wer liest schließlich noch Zeitungen? „Unsere Wahrheit hat gesiegt“, heißt es am Wahlabend.

Es gibt zwielichtiges Personal rundum: in der Hölle eine Katze und Vulgus, ein Bürokratie-Faktotum (Wolfgang Kandler). Dieser dubiose Kerl geht auch manchmal auf der Erde um. Ausgerechnet ihn rufen die beiden Partei-Frontmänner (Felix Krasser und Soi Schüssler) zu Hilfe, auf dass er ihnen aus der Patsche zu helfe. Und da ist noch der Frosch, eine Puppe. Frösche sind gut geerdet, und aus ihrer bodennahen Perspektive erkennt man das Böse so genau wie pragmatisch. Frosch hat den fatalen Hang, das Böse in der Welt in weitschweifenden Monologen zu erklären, womit er freilich Sand in den dramaturgischen Ablauf streut.

Wie auch immer: Der Weg aus der Parteizentrale in die Hölle ist, so man das Fenster zum Abgang wählt, zwar letal, aber in die Gegenrichtung ist der Weg kurz. Man braucht man nur ein paar Türen zu öffnen und ist dort, wo sich schleimige Leute ihre sinistren Schönfärbereien ausdenken. Alle Sprüche, die man da so zu hören bekommt, hat man auch wirklich schon so gehört. Man braucht auch nicht lange in Erinnerungen zu kramen, um sich einer Sache mit Laptop im Kinderwagen zu entsinnen. Hier ist der Kinderwagen gleich auch die Schreddermaschine.

Der deutschen Regisseurin Sandra Schüddekopf kann man nicht nachsagen, dass sie den Querfeldein-Turbulenzen nicht aufs Heftigste zugearbeitet hätte. Besser wäre vielleicht gewesen, ganz kräftig den Rotstift anzusetzen und ein wenig hintergründiger herauszuarbeiten, dass die Autorin sehr wohl viel Ironisches und auch viel Zutreffendes über das Teuflische in der Politik und das Böse überhaupt in diesen Theatertext geschrieben hat. Das geht nur oft in der Turbulenz verloren.

Aufführungen bis 21. März – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese
Zur Besprechung von „papier.waren.pospischil“
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