Große Kaliber am Schlappseil

THEATER ECCE / KULTURHAUPTSTADT SALZKAMMERGUT

20/02/24 Sie hat was von Thomas Bernhards Theatermacher – die grandiose ironische Selbstüberhebung des Theater Ecce mit seiner Produktion Das große Welttheater. Premiere ist am Donnerstag (22.2.) im Rahmen des Programms zur Kulturhaupstadt Salzkammergut in Bad Goisern. Gefragt wird nach der Lage der Gesellschaft. Gegriffen wird nach den Sternen. Das kann nur heiter werden.

Von Heidemarie Klabacher

Pate für den humoristischen Anfall von theatralem Größenwahn standen jedenfalls das barocke Stück El gran teatro del mundo von Pedro Calderón de la Barca (1600-1681) und dessen Bearbeitung durch Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) Das Salzburger große Welttheater.

So großen Vorbildern begegnet man nicht in einer einzigen Aufführung! Einen ersten Anlauf hat man bereits im April 2023 genommen. Unter dem Titel Alles hinkt, was nach Metapher stinkt schrieb DrehPunktKultur am 26. April vorigen Jahres über die Premiere in der ARGEkultur: „Ganz weit im Hintergrund der spanische Autor Calderon mit seinem gleichnamigen Stück. Der Autor dieser Fassung, zugleich Leiter einer Amateurtheatertruppe, geht noch weiter: 'Wir beginnen vor mehr als 13 Milliarden Jahren, mit der Entstehung des Universums.' ... Damit ist Paul im Rollstuhl ebenso dabei wie Maxim, dessen Gilgamesch-Gewäsch als Leitfaden in eine spezielle Szene führen wird.“
Der Geist war also vor einem Jahr schon ganz der nämliche. Worum geht es? Ob das inzwischen irgendwer so ganz genau weiß? Reinhold Tritscher und das Theater Ecce schildern die aktuellen Charaktere: Da ist der Gemeindearbeiter und Totengräber Konrad. Er pflegt das Denkmal des Bauernphilosophen Konrad Deubler (1814­–1884). Dieser war Land- und Gastwirt, Bäcker und Bürgermeister von Bad Goisern. Da ist der Wissenschaftler Bruno Bachleitner im erbitterten Nachbarschaftsstreit mit der zugezogenen Jägerin und Millionenerbin Prinzessin Neuhaus, deren Großvater einst den Großvater des Wissenschaftlers beim Wildern erschossen hat. Ein kasachischer Multijobbe treffe auf einen Beamten für Eich- und Vermessungswesen, „der eigentlich Atomphysiker werden wollte und jetzt heimlich Bomben bastelt“. Ein syrischer Schauspieler spiele auch mit träume, „wie der einst sumerische König Gilgamesh vor fünftausend Jahren“ vom ewigen Leben und findet sich plötzlich unter Laiendarstellerinnen und Menschen mit besonderen Einschränkungen. Wie anders, beim Theater Ecce.

„Weiters tauchen auf“, so die Theater-Besessenen: „Eine Bäume-Umarmerin. Eine unterbezahlte Krankenpflegerin. Ein veganer Metzger aus Amerika. Und andere.“ Sie alle, und die anderen natürlich, würden vom „Schöpfer“ – und der war schon voriges Jahr ganz elementar – zur Improvisation aufgefordert“.

In der Presseaussendung der Verantwortlichen zur Kulturhhauptstadt2024 klingt es übersichtlicerh: „Halb Bad Goisern ist dem Aufruf zum Casting für Das große Welttheater gefolgt.“ Die Protagonistiinnen, „die in den unterschiedlichsten Bereichen arbeiten“ hätten mit den Profis unter Anleitung von Reinhold Tritscher „auf humorvolle Weise ein Theaterszenario erarbeitet, das zur aktuellen Lage der Gesellschaft Stellung bezieht“.

Inspiriert seien die Improvisationen zusätzlich von Texten international renommierter Schriftstellerinnen und Wissenschaftler. Die zentrale Frage ist jedenfalls keine kleine: „An welchen Werten sollen sich Menschen orientieren angesichts einer Welt im Umbruch?“ Die Beschäftigung mit Calderóns barockem, christlichen Weltbild, „das ganz Europa und das Salzkammergut prägte“, habe zu „dieser hochaktuellen brisanten Fragestellung“ geführt. In Workshops wurden Calderóns Allegorien zu heutigen Biografien um gedeutet.

 „Es spielt ein diverses Ensemble von professionellen Schauspielerinnen, Akrobatinnen, Tänzerinnen, Musikerinnen und Amateurdarstellerinnen.“ Das Bühnenbild schuf, wie immer beim Theater Ecce, Alois Ellmauer. Für Choreografie, Video und Kostüme zeichnen Birgit Mühlmann Wieser, Remo Rauscher und Elisabeth Strauß, für Live-Musik und Komposition Gernot Haslauer, Robert Kainar und Roli Wesp.
Grundlage waren nicht nur Calderon/Hofmannsthal sondern, so Tritscher, auch verschiedenste „literarische, soziologische oder philosophische Texte“ von Philipp Blom über Franz Kafka, Marina Lewycka und Thornton Wilder bis Donna Jeanne Haraway und Christoph Ransmayr. Die Themen, „die in den szenischen Darstellungen, gespielt und getanzt in Kombination mit akrobatischen Einlagen und Live-Musik verhandelt werden“ seien Geburt, Liebe, das ewige Leben, Reichtum, Armut, Sehnsucht, Schicksal, Apokalypse, das jüngste Gericht, der Tod. Jedes für sich schon kein ganz kleines Kaliber. In Salzburg und Umgebung müssen das Theater Ecce und sein charismatischer Leiter Reinhold Tritscher nicht eigens vorgestellt werden. Das Programm zur Kulturhauptstadt Salzkammergut richtet sich in die Weite, da darf ein wenig Info nicht fehlen: „Seit mehr als 25 Jahren konzipiert und realisiert das Team von Theater Ecce – eine freie Gruppe von Theaterschaffenden aller Sparten in Salzburg unter der künstlerischen Leitung von Reinhold Tritscher – inklusive Theaterprojekte.“ Das internationale Ensemble erprobeneue Formate des Zusammenwirkens und schaffe Raum für künstlerische und soziale Entwicklung. Im Mittelpunkt stehe gesellschaftspolitisches, literarisches, inklusives und partizipatorisches Theater. Das gemeinwohlbilanzierte Unternehmen richte seine Aktivitäten an den Prinzipien der Klimaverträglichkeit und der nachhaltigen Entwicklung aus. Ausgezeichnet wurde das Theater Ecce etwa mit dem Würdigungspreis des Bundeskanzleramtes, dem Salzburger Landespreis für Kulturarbeit oder zuletzt mit dem Maecenas Ö1 Publikumspreis.

Das große Welttheater – Premiere ist am Donnerstag (22.2.) um 19.30 im Festsaal Bad Goisern Obere Marktstraße 11 – weitere sechs Termine bis 3. März – ab 14. März folgen fünf Aufführungen in der Szene Salzburg –  www.theater-ecce.com  – www.salzkammergut-2024.at
Bilder: dpk-krie (2); Foto Flausen (1)
Zur dpk-Besprechung des ersten Anlaufs zum Großen Welttheater 
Alles hinkt, was nach Metapher stinkt