Bogart, Brando, Superman
KAMMERSPIELE / MÜLLERS BÜRO
16/03/10 Im Gegensatz zum beamteten Ermittler Major Adolf Kottan haben die Umtriebe des schäbigen Privatschnüfflers Max Müller nie die Österreichische Polizeigewerkschaft auf den Plan gerufen. Unter präziser Schweizer Regie treibt Max Müller jetzt in den Kammerspielen sein Wesen.
Von Heidemarie Klabacher
Niki List ist seinerzeit nicht zimperlich gewesen auf seinen Zitaten-Ritt quer durch die Filmgeschichte vom Film Noir bis zur Soap-Opera. Sam Spade und Miles Archer dienen gar als Decknamen beim Bar-Besuch unter Feinden: Dashiell Hammett ist nur einer der Väter von Max Müller und dessen Assistenten Larry (Stephan Derrick und Harry Klein lassen natürlich auch grüßen). Und so cool wie weiland Mike Hammer küsst ein Max Müller allemal.
„Es können nur Männer verstehen, was uns Männer vereint.“ „Männer sind wie Marzipan.“ „Bye-bye Lebenslust, mein Gott das war ein Frust“… Das ist Kult - praktisch seit der Uraufführung bei der Berlinale 1986. Zwanzig Jahre später hat Niki List „Müllers Büro“ in eine - inhaltlich gestraffte - Musical-Fassung gegossen: Diese wurde zur Musik von Freddy Gigeles, Peter Jandas und Lothar Scherpes 2006 in Villach uraufgeführt und anschließend im Wiener Metropol gespielt. Regie geführt hat damals der 2009 verstorbene Regisseur und Autor selber.
In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters tut das der Schweizer Musicaldarsteller, Choreograph und Regisseur Kurt Schrepfer. Er bringt das krude Treiben rund um die geheimnisvolle Blondine, die ihren Lover vermisst, Max Müller mit der Wiederbeschaffung beauftragt und damit in einen Bandenkrieg ungeahnten Ausmaßes hineinhetzt, mit Schwung, Drive und präzisem Timing auf die winzige Bühne. Liebevoll im Detail (bis zu den Schuhen von Müllers verblichenen Geliebten im Regal): Bühnenbild und Kostüme von Manuela Weilguni.
Verfremdet werden muss die bizarre Geschichte nicht, ein wenig mehr Schwärze und Bösartigkeit wären dennoch vorstellbar. Kurt Schrepfer lässt stattdessen alle Beteiligten ihre Klischees mit dem Ernst von Leinwandgrößen der Fünfzigerjahre deklamieren. Was auch seinen Witz hat.
Sascha Oskar Weis war im Herbst der Mephistopheles im „Faust“. Als Max Müller ist es ebenfalls an ihm, Ein- und Zweideutigkeiten sowie cinemascope-taugliche Großschnäuzigkeiten zu posaunen und mit körperlicher Wendigkeit und Eleganz den Raum zu füllen. Und singen kann Sascha Oskar Weis auch!
Regisseur Kurt Schrepfer hat sich sogar im Ballett-Ensemble umgehört - und in Maria Gruber eine darstellerisch feurig-elegante und stimmlich präsente Nutte Maria gefunden.
Nicht ganz so intonationssicher ist Tim Oberließen als Assistent Larry. Dafür ist er besonders rührend in seiner Vasallentreue zum Chef und in seinem Hang zum ewig Weiblichen. Dieses behandelt ihn - trotz Supermann-Unterhose - recht schnöde. Erst Christina Einbock als junge Kollegin Marias verliebt sich in Larry und verlangt ihm mit der Nummer „Ich will mehr“ immer neue Nummern ab. Auch dies alles hübsch im Rhythmus.
Die geheimnisvolle Bettina Kant, alias Ingrid Bergman, hat man sich in Person von Caroline Richards „ausgeliehen“: Eine gar nicht kühle Blondine. Die Rolle des Fräulein Schick, der Sekretärin und Anbeterin Max Müllers, gibt Anja Clementi. Werner Friedl fügt sich als Kellner Jeff bzw. Obergauner Kant nahtlos in die jugendliche Truppe. Südliches (Mafia-)Flair und tenoralen Schmelz verbreitet Juan Carlos Navarro (er versteckt sich sonst im Chor des Landestheaters. Warum eigentlich?) als Ganove Henry. Britta Bayer als Henrys ungetreue Marlene, Gerhard Peilstein, Sebastian Fischer und Matthias Hungerbühler als Mafiosi bzw. Prügel-Polizisten - quasi das gesamte Ensemble ist mit Schwung und Witz bei der kriminellen Sache: Musikalisch begleitet von der Einmann-Band Johannes Pillinger, der auch den „Soundtrack“ mitliefert, vor allem die vielen Pistolenschüsse und Maschinengewehr-Salven. Ein gelungener Klamauk, nicht unwürdig der legendären „Vorlage“.