Jeder Dolchstoß ein Vergnügen
HAUS FÜR MOZART / TOSCA
07/03/10 Endlich einmal ist auf der Opernbühne alles so, wie es sein soll. Puccinis „Tosca“ im Haus für Mozart, die jüngste Opernproduktion des Landestheaters, ist der erste wirkliche Triumph, den Opernchef Bernd Feuchtner in seiner ersten Spielzeit einfahren kann.
Von Heidemarie Klabacher
Regisseur André Heller-Lopes lässt den Cavaradossi vor allem einmal „Aufstellung“ nehmen: breitbeinig, mit einer soliden Stütze, die auch eine Kanonenkugel nicht wanken machte. „Rampensingen“ nennt man das despektierlich. Aber was ist schlecht daran, wenn ein Regisseur die Archetypen Archetypen bleiben und einfach singen lässt? Noch dazu, wenn man solche Sänger und eine solche Sängerin aufbieten kann?
Riccardo Massi ist der stimmlich und optisch hinreißende Maler Mario Cavaradossi. Souveräne Technik, Leichtigkeit bei solider unforcierter „Durchschlagskraft“, perfekter Lagenausgleich und ein wundersam weiches und vielfarbiges Timbre zeichnen seine Stimme aus. Wenn dieser Cavaradossi zur Puccini’schen „Bildnisarie“ anhebt - und in der gemalten Schönheit die Schönheit an sich besingt - hat er sein Publikum auch schon erobert. Und mit ihm der Soloklarinettist des Mozarteumorchesters, der hier zum ersten (aber keineswegs zum letzten) Mal bei der Premiere am Samstag (6.3.) mit ebenso feinem Timbre eine Gesangslinie konturierte. Auch in der Szene „Es leuchten die Sterne“ setzt das Pianissimo der Klarinette die letzten Glanzlichter auf den ohnehin schon luxuriös schillernden Opernhimmel.
Jason Howard ist ein äußerlich ebenso eleganter, wie innerlich verderbter Polizeichef Scarpia: ein Bösewicht wie aus dem Musterbuch, ein Focus für alle negativen Energien. Sein hämisches Lächeln (nachdem er die eifersüchtige Tosca noch eifersüchtiger und damit zum „Falken“ seiner Intrige gemacht hat) vergisst man ihm nicht - und dafür gönnt man ihm jeden Dolchstoß doppelt (Tosca wird in einem Blutrausch gleich mehrmals zustechen). Und singen kann der Mann auch: gefährlich leise, lüstern triumphierend - technisch und gestalterisch souverän. Wenn er im ersten Akt die eifersüchtige Tosca mit seiner gebetsartigen Rezitation auf nur einem Ton umgarnt (und alle Farbe dem Orchester gehört) lehrt dieser Scarpia zum ersten Mal das Fürchten. Mit „Mag’ nicht turteln, wie die Taube“ outet er sich endgültig als reiner Sadist.
Amanda Echalaz ist Flora Tosca: Sie überzeugt als zickige eifersüchtige Diva, als wahrhaft Liebende und als unbeugsame Kämpferin. Scheinbar ohne Kraftaufwand, warm und geschmeidig im Klang bis in die hohen Lagen, gestaltet sie die liedhaften, scheinbar schlichten Passagen ebenso überzeugend, wie die hochdramatischen Ausbrüche.
Basis, Anregung und Herausforderung für die sängerischen Leistungen bietet das Mozarteumorchester unter der Leitung von Leo Hussain: Auf eine einzige große Linie, mit vorwärts drängender immer neu zündender Energie entwickeln Hussain und das Orchester einen mitreißenden Sog. Dabei bleibt die Wiedergabe transparent und durchhörbar, beinah kammermusikalisch. Bei aller Fülle - und der gar nicht geringen Laufstärke - leuchten die erstaunlichsten Klangfarben auf: die beinah exotischen Effekte von TamTam, Glocken und Orgel etwa wenn Scarpia besagten „Falken der Eifersucht“ aufsteigen lässt; das bedrohliche tiefe Blech im Te Deum (Chor und Extrachor des Landestheaters stehen der Gesamtleistung in nichts nach) oder die geradezu hollywood-reife Opulenz (plus Cello-Kantilene) im Schlussduett. Man spürt richtig das Vergnügen, das alle Beteiligten im Orchestergraben daran haben, die Aufregungen oben auf der Bühne anzustacheln und immer neu anzuheizen.
André Heller-Lopes hat kreuzbrav inszeniert, auch wenn der Gekreuzigte auf dem Kopf steht. Ein junger Regisseur aus Brasilien, der in den letzten Jahren zu namhaften Programmen für Nachwuchskünstler etwa an die Met in New York, an die San Francisco Opera oder nach Coventgarden in London eingeladen worden ist. Nicht überall will man ja von "Regietheater" etwas wissen. Derzeit ist Heller-Lopes Direktor eines Nachwuchsprogramms an der Oper in Lissabon.
Der überdimensionale, kopfüber in den Boden gerammte Kruzifixus verweist auf den Katholizismus, die vielen silbernen Leuchten stehen für die Ostkirche, und ein Stufenaufbau hinten könnte gar aus einer Moschee stammen. Die Religion hat abgehaust. Scarpia hat sich - man sieht es in seinem Arbeitszimmer - am Kirchensilber ausgiebig bedient: eine Mischung aus Lasterhöhle und Schatzkammer.
Manche Leute kommen aus der Krypta herauf, was besonders beim ersten Auftritt der Tosca befremdlich wirkt. Maskierte stürzen herein, Zeuge an der Folterung des Cavaradossi wird man durch eine spiegelnde Bodenklappe - es gibt mithin genug zu schauen. Und doch steht die Regie, die kaum einen aufgegriffenen Faden schlüssig weiterspinnt, dem musikalischen Ereignis dieser Aufführung nicht entgegen. Das hat ein Niveau, das man sich bei den Festspielen wünscht.