Menschheitsharmonie mit Dudldudlsack
SALZBURGER ADVENTSINGEN
29/11/13 Als sich in biblischer Zeit noch Engel zeitgerecht eingemischt haben in die Konfliktregelung, war vieles leichter. Das nimmt man vom Salzburger Adventsingen heuer mit, wo der Frieden zwischen den Menschen – und zwischen den Religionen – proklamiert wird.
Von Reinhard Kriechbaum
Engel also: Ein solcher unterrichtet ehzeitig Josef, dass er demnächst mit einer schwangeren Ehefrau konfrontiert sein wird. Ein Stiefkind vom lieben Gott halt, das kann vorkommen. Auf solche Frohbotschaft hin geht einem wie Josef ein herzhaftes „Maria, du Begnadete“ ganz locker über die Lippen. In einer der „heutigen“ Szenen lernen wir, dass man eh bloß googeln müsste, um die gemeinsamen Heilsfiguren der monotheistischen Religionen herauszufinden. Schnell wäre aller Konkurrenz-Übereifer dahin, Verständnis und Toleranz zwischen Christentum, Judentum stellten sich wie von selbst ein.
Viel ernsthafte Musik durchzieht heuer das Salzburger Adventsingen, und die relativiert die harmoniesüchtige Geschichte entscheidend. Shane Woodborne hat große wirkungsvolle Chor-Tableaus entworfen, gerade für die Engels-Szenen, was der Sache viel von der Plattheit nimmt (die Projektionen der geschmäcklerischen Figuren, die Johann Weyringer eigentlich für Glasfenster einer römischen Kirche entworfen hat, fallen nicht weiter auf). Woodbornes Musik ist so stark, dass sie manche Plattheit drumherum vergessen macht. Sie verlässt nie den gesicherten tonalen Raum, aber in der Satztechnik stecken viele Ideen drin, die das Ohr reizen. Die Ansprüche sowohl an den Salzburger Volksliedchor als auch an die kleinen Vokalensembles (Flachgauer Dreiklang, Salzburger Sänger) sind ansehnlich, aber das hat der Dirigent Herbert Böck sicher im Griff.
Überhaupt ist gegenseitige musikalische Durchdringung angesagt: Die Hirten bekommen vom Männer-Viergesang in alpenländischem Ton die Engelsverkündigung serviert. In diesem originellen Pongauer Volkslied wird auch der „Dudldudlsack“ angesprochen, den einer der Knaben (der auch ein feiner Sänger und ein guter Pascher ist) zu spielen versteht.
Viele solche reizvolle Verbindungen zwischen den Gruppen nehmen für dieses Adventsingen ein. Gerade, weil Drei- und Viergesang nicht herb, sonder elegant klingen, ergeben sich keine wirklich irritierenden Brüche zwischen den zahl- und umfangreichen Neukompositionen von Shane Woodborne. Maria (Simone Vierlinger), Elisabeth (Ilse Grießenauer) und Josef (Bernhard Teufl) sind junge und doch schon altgediente Protagonisten, die heuer ihre musikalischen Fähigkeiten in mehreren Duetten so recht ausspielen können: unprätentiös, duftig in den Vokallinien, wirklich fein wird da gesungen. Respekt vor dem Chor, der auch das „Abendlied“ von dem Bruckner-Zeitgenossen Josef Rheinberger untadelig hinkriegt.
Aus dem Fundus der Volksmusik – sei es vokal oder instrumental – hört man einiges weniger Vertrautes. Und was Woodborne an „Exotischem“ einschmuggelt, fügt sich dezent ein. Auch mit fremdartigen Vokalisen kommen die Chordamen zurecht.
Die „heutige“ Handlung: Ein junger Salzburger Hotelierssohn und eine gut assimilierte Bosnierin basteln an der gemeinsamen Zukunft, die beiden Familien sind ob der sich anbahnenden religiösen Mischkulanz „not amused“ (die Mütter sind verständnisvoller, wird berichtet). Eine weitere Figur ist die amerikanische Jüdin Hanna, die von der Krimmler Judenflucht erzählt und den jungen Leuten zu verstehen gibt, dass religiöse Intoleranz schlimmeres Leid schaffen kann. Die Dame ist im Lauf dieser Alpenüberquerung in einem Stall auf dem Krimmler Tauer zur Welt gekommen! Wie sich da alles weihnachts-botschaftlich fügt und so schnell wie klar auflöst! Bratkartoffel (oder heuer sogar ?evap?i?i) werden keinem Adventsingen-Besucher im Hals stecken bleiben.
In der garstigen Hotel-Lobby, die Dietmar Solt auf die Bühne gestellt hat, täte man eigentlich Peter Alexander und Waltraud Haas erwarten. Aber es kommen die temperamentvolle Nevena Lukic (Sara), der nicht minder sympathische Hannes Perkmann (David) – das ist derjenige, der so leidenschaftlich nach Religions-Informationen gegoogelt hat – und die sich sehr zurücknehmende und damit entsprechend glaubwürdige Alexandra Tichy (Hanna). Caroline Richards hat konzis und genau inszeniert. Sie sorgt dafür, dass die Emotionen nicht aufgebläht werden. Gerade, weil der Plot gar so simpel ist, bewährt es sich, dass die Umsetzung unterdessen ausschließlich in Profi-Händen liegt.
Fein, dass ein paar junge Hirtenkinder dazugekommen sind. Ihr Auftritt öffnet, wie es sich gehört, die Herzen des Publikums. Die Kinder und Jugendlichen sind tüchtige Musikanten, „Unkener Knödlwalzer“, „Waldhansl und Schleuniger“ – da kommt nicht nur Stimmung in die Bude, es steckt auch Qualität drin. „Ausgezeichnet“ ist das letzte Wort eines jungen Hirten.