Beatles in den Beinen, Körperkult im Kopf
LANDESTHEATER / REPUBLIC / BEATLES TANZABEND
30/04/12 Nach Sound of Music reitet das Landestheater also weiter auf der Retro-Welle und es ist nicht auszuschließen, dass ihm damit eine Vorreiterrolle gelingt. Denn so massiv hat man wohl schon länger nicht mehr Beatles-Songs en suite vorgesetzt bekommen: Peter Breuers aktuelles Ballett-Projekt im Republic.
Von Erhard Petzel
Immer wieder wird das Publikum zum Mitklatschen animiert. Wird das Landestheater zur Schunkelbude? Wenn ja, soll ihm nichts Schlimmeres passieren.
Es ist zwar nicht der Reiz eines thematischen Gedankens, der die Spannung über einen Abend hält, aber die Qualität eines homogenen Ganzen ohne Ecken und Kanten führt über die erstaunliche Vielfalt dieser Musik zu einem farbenfrohen Kaleidoskop genüsslicher Geschichten. Nicht der einzige Verdienst Breuers ist, die Bandbreite dieser Musik und die unerreichte Kunst des Arrangements heute wieder bewusst zu machen.
Dies zu leisten über den Tanz, des Ausdrucks höchster menschlicher Vollendung im körperlichen Erzählen von Geschichten, ist obendrein ein besonders sinnlicher Weg, die fallweise auch etwas albernen Attitüden der Pilzkopf-Performance werden in aparte Choreographien aufgelöst. In diesem Sinn verliert sich allerdings auch manchmal die Subversivität des Lieds, wenn sie sich in einer verharmlosenden Märchenerzählung findet.
So wie es Yellow Submarine in Kinder-Liederbücher geschafft hat, wird es hier als Kostüm-Spektakel im fahrbaren Regenbogen-Tor aufgeführt, Strawberry Fields rollt als nettes rosa Feen-Sextett auf roten Riesenbeeren herein. Lucy fährt auch optisch ab als psychodelischer Drogentrip, aber 2 Riesentänzerinnen mit Männerwadeln im Gegensatz zu 4 zarten Dämchen lösen problematische Wahrnehmung vielleicht doch etwas lieblich auf.
Der Bogen von Western-Slapstick zu ironisch gebrochenem Guru-Gehabe ist weit, reich an Abwechslung und voller Überraschungen. Transzendente Soli – sehr beeindruckend die selbstvergessene Blackbird – wechseln mit Liebesgeschichten zu zweit, dritt und viert, dazu gibt es kräftige Männer-Nummern (A Hard Days Night, Come Together), Genre-Szenen (Penny Lane, When I’m 64) und Chorus-Lines des vollen Ensembles (Let It Be). Eine popige Figur in Frack und Zylinder vermittelt Ansätze zu erzählender Conference.
Sparsam, aber gerade dadurch wirksam und dem einheitlichen Gesamteindruck dienlich, die Bühnenausstattung. Ein großer Rahmen für eine Hinterbühne mit Projektions-Vorhang, ein fahrbares Help-Regenbogentor und vier Großbuchstaben, die als Elemente durch Raum und Zeit geistern, um in Hey Jude den Schriftzug LOVE auf die Bühne zu setzen. Die Kostüme setzen geschickt auf die Ästhetik der Beatles-Filme und Plattencover.
Der Erfolg ist vorprogrammiert. Die Aufführung wird nicht nur den eingefleischten Beatles-Fan bezaubern (den dafür vollständig). Die Tänzer füllen die Musik nicht nur aus, das Verhältnis von Körper und Klangkonserve ist symbiotisch, der Ausdruck geschmackvoll und das Engagement hingebungsvoll. Von einem Programm kann man leicht absehen (Yesterday als von allen mitgesungener Opener wollte sich als solches vielleicht darstellen). Ein Potpourri als Never-Ending zur abschließenden Publikums-Animation, was soll da noch schief gehen?