Liebestrank, köstlich zubereitet
UNIVERSITÄT MOZARTEUM / L’ELISIR D‘AMORE
20/03/12 Gaetano Donizettis Melodramma „L’elisir d’amore“ ist in seiner Mischung aus lyrischem Belcanto und rasantem Brio kein leichtes Stück für Studierende, und auch Regisseure pflegen in Zeiten der Dekonstruktion mit der „erträglichen Leichtigkeit des Seins“, wie Oswald Panagl so treffend im Programmheft schreibt, ihre Mühe zu haben. Eike Gramss zeigt im Großen Studio, wie’s geht.
Von Gottfried Franz Kasparek
Keine Mätzchen, keine überflüssigen Gags, keine verkrampfte Vergegenwärtigung, keine teure Bilderflut findet statt, dafür punktgenaue und doch phantasievolle Personenregie in atmosphärischem, südlichem Licht. Gramss, der immer mehr zu einem der wahren Altmeister der Opernregie wird, hat sich von jungen Leuten – Susanne Leitner, Christoph Muth, Anna Schöttl – eine Bretterbühne bauen lassen, mit angedeuteter mediterraner Bergkulisse im Hintergrund. Ein Festtagstisch oder Stangen zum Aufhängen der Wäsche genügen vollkommen, um Stimmung zu erzeugen. Wesentlich ist, dass die köstliche alte Geschichte rund um den vom „Tristan“-Stoff inspirierten Liebestrank, der einfach Rotwein ist und doch den Tolpatsch Nemorino und die kokette Adina zusammenbringt, glaubwürdig und zeitlos erzählt wird. Es ist wieder einmal ein Genuss, stilisierte italienische Volkstrachten in der Oper zu sehen und nicht immer Businessanzüge, zumal darin liebenswerte und einem sofort bekannt vorkommende Charaktere stecken.
Die „wohlhabende Pächtern“ und Volkserzieherin Adina in der attraktiven Gestalt und mit der bereits bemerkenswert sicher fokussierten, interessant metallisch timbrierten Sopranstimme von Solen Mainguené ist eine durchaus emanzipierte junge Frau, die sich das Spiel mit der Liebe nicht entgehen lässt, sich am Ende aber den Mann ihrer Wahl erkämpft. Immerhin kauft sie den armen, ungeschickten, aber gar nicht so tölpelhaften Nemorino vom Militär frei.
Sergiu Seplacan lässt edles, mitunter verführerisch bronzen schimmerndes Tenormaterial hören, spielt den jugendlichen Liebhaber mit Verve und Sensibilität und erreicht in den Duetten mit Adina seine vokalen Höhepunkte. Wenn es ihm gelingt, seine Technik zu vervollkommnen, steht einer großen Karriere nichts im Wege.
Sergeant Belcore wird von Oddur Jónsson nicht nur als großartig realistischer Dorf-Casanova und Machertyp blendend verkörpert, sondern lässt auch einen echten Kavaliersbariton wohltönend erklingen. Dass der Quacksalber Dulcamara in diesem Umfeld kein alter Bass-Buffo sein kann, ist klar. Robert Davidson fährt mit einem klapprigen, voll bepackten Auto vor, stellt mit Witz und Laune einen vifen Jahrmarktskünstler auch stimmlich jüngeren Jahrgangs dar und wird von keinem stummen Diener, sondern von einer listig-lustigen „Dulcamamma“ (Anna Landgraf) begleitet. Giannetta, eifrig mit Adina um die Gunst Belcores wetteifernd, wird im Finale belohnt und von Teresa Tièschky in bester Soubrettenweise verkörpert. Soweit die Premierenbesetzung – in der 2. und 4. Vorstellung gibt es eine Alternative.
Den Uni-Chor „musica cosi“ hat Eike Gramss als wundersam lebendige Dorftypen-Gruppe durchgestaltet, Silvia Spinnato und Carlos Chamorro sorgten für die auch vokal bestens gelungene Einstudierung. Josef Wallnig am Pult gibt der Musik ihre Grazie, ihre schwelgerische Passion und ihr unwiderstehliches Tempo in den Finali, er atmet perfekt mit den Sängern und weiß genau, was er dem großteils aus Studierenden bestehenden Orchester zumuten kann – es ist schon sehr viel. Wieder einmal eine Produktion der „Mozarteums-Oper“, die in ihrer szenischen und gesanglichen Frische bezaubert und deren Ästhetik man so mancher Theaterleitung empfehlen kann. Wie schön, dass Eike Gramss nach dieser heiteren Tristan-Variante im Herbst Wagners „Tristan und Isolde“ für das Salzburger Landestheater inszenieren wird.