Große Oper für die Puppen
REPORTAGE / LANDESTHEATER / MARIONETTENTHEATER / RING
28/02/12 Hagen wirkt bedrohlich: Er geht einem Erwachsenen zwar kaum bis zum Knie - dennoch weicht man zwei Schritt zurück, wenn er plötzlich auf Augenhöhe daher kommt, an seidenen Fäden, Mord in den Augen. Die Puppenspielerin zwinkert von oben herunter.
Von Heidemarie Klabacher
Loge ist ein eleganter Entertainer im Glitzer-Smoking. Die goldenen Äpfel der Göttin Freia grünen exponiert an weiblicher Front. Pferdchen Grane, dem niemals graut, tänzelt elegant wie die Kollegen in der Hofreitschule. Siegfried kommt cool im Trainingsanzug daher. Sein Bär liefert auf Kosten von Mime eine hinreißende Soloperformance. Aber Drache ward heute Dienstag (28.2.) noch keiner gesichtet.
Landestheater und Marionettentheater haben sich zusammengetan, ihre Kräfte auf nichts Geringeres als Richard Wagners Ring-Tetralogie gebündelt – und anlässlich des Probenbeginns zum Lokalaugenschein gebeten.
„Vor zehn Jahren hätte ich mich das nicht getraut“, sagt Gretl Aicher, die Prinzipalin des Marionettentheaters. Für das Ring-Projekt mussten neue künstlerische und technische Herausforderungen angenommen werden. „Das Marionettentheater existiert ja nicht erst seit gestern." Vor genau 99 Jahren, am 27. Februar 1913, sei das Marionettentheater eröffnet worden, so Gretl Aicher: „Mit Mozarts kleinem Singspiel ‚Bastien und Bastienne’. Das Marionettentheater hat seither nie aufgehört, sich weiterzuentwickeln. Und jetzt spielen wir den Ring…“ Erstmals habe sie mit dieser Produktion „alle Aufgaben an die Jugend übergeben“.
Der ganze „Ring“, also gut 16 Stunden Oper, an einem Abend. Noch dazu mit Marionetten. Was kann man sich da vorstellen? Keinesfalls einen Klamauk a la „Shakespeares gesammelte Werke leicht gekürzt“. „Wir haben versucht, die Substanz zu finden, und doch alle Handlungsstränge und alle Motive dieses großen Epos auf die Bühne zu bringen“, erklärt Carl Philip von Maldeghem. Die Ring-Fassung von Loriot etwa lasse einzelne Handlungsstränge aus. Sein Wunsch dagegen: „Die Leute sollen beim Hinausgehen sagen: ‚Jetzt habe ich einmal den ganzen Atem des Stückes gespürt.“
Der Intendant des Landestheaters führt selber Regie – zusammen mit Claudia Carus: „Die Regie muss in diesem Fall sehr klar sein. Die Hauptspieler sind die Marionetten – und deren Spezialität ist es, dass sie von sich aus nichts anbieten. Das geht über die virtuose Truppe der Puppenspieler.“
Transportiert wird die monumentale Story auf verschiedenen Ebenen. Die Marionetten stehen im Mittelpunkt. Aber auch zwei Schauspieler sind dabei: Christiani Wetter und Tim Oberließen spielen entweder als Bühnenpartner direkt mit den Marionetten – oder sie treten aus ihren Rollen heraus, „als Erzähler, Kommentatoren und Handlungsbeschleuniger“. Werner Friedl hat seine Stimme dem Loge geliehen, die vom Band zugespielt wird. Er wird als "allwissende" Figur durch das Stück führen.
Die Originalmusik von Richard Wagner kommt ebenfalls vom Band: Es ist die legendäre Ring-Gesamtaufnahme mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Sir Georg Solti, entstanden in den Jahren 1958 bis 1964, berichtet Philippe Brunner, der mit Gretl Aicher das Figurenspielkonhzept erarbeitet hat und für die Einrichtung der Musik verantwortlich zeichnet. Einzelne Dialoge sind Original-Wagner ohne Musik, denn auch der Operntext von Richard Wagner kommt zu Ehren: „Wagner meinte ja, dass seine Texte auch ohne Musik existieren können“, erinnert Carl Philip von Maldeghem.
Die besondere Herausforderung bei dieser Produktion? „Die großartige Dimension der Musik und die Kleinheit der Figuren: Wie machen wir das, dass die Musik trägt und die Puppen nicht erdrückt.“
So klein sind sie gar nicht, die insgesamt 25 Marionetten. Die Ausstrahlung der Figuren – aus nächster Nähe beim Probenbesuch auch hinter der Bühne – ist jedenfalls enorm: „Reinhard Feldinger, ein junger Bildhauer aus Elsbethen, hat die Köpfe für uns geschnitzt“, berichtet Philippe Brunner . Noch sind die Köpfe unbemalt, wie sie vom Künstler gekommen sind. Über Farbe und Fassung – „Schminke“ - wird in den nächsten Tagen beraten.
Dass ein Theatermann auf die Puppe kommt, ist weiter nicht verwunderlich. Seit dem 15./16. Jahrhundert knöpft sich gerade das Puppenspiel die größten Stoffe der Weltliteratur vor. Der alte Goethe hat als junger Knabe so den Faust kennen gelernt – der ihn lebenslang begleiten sollte. Er selber sei in Augsburg aufgewachsen (Augsburger Puppenkiste), erzählt Carl Philip von Maldeghem. Zusammen mit seinem Bruder habe er selber Marionettentheater gespielt. "Wir sind hier mit dieser Produktion im Marionettentheater - aber im Großen Festspielhaus würden wir es auch nicht anders angehen."