So was hören und sehen die Engel sicher gerne
TOBI REISER ADVENTSINGEN
07/12/11 Mit einer provokanten Bemerkung hat jüngst Erich Holzmann, Veranstalter einer touristisch-popopulären Adventveranstaltung in der Andräkirche, in einem ORF-Interview aufhochen lassen: Er sprach von „Herzkultur“.
Von Reinhard Kriechbaum
Diese ominöse „Herzkultur“ beschwor er im Gegensatz zur „absoluten Hochkultur“, für die seiner Meinung nach das Adventsingen des Heimatwerks im Großen Festspielhaus stehe. Nicht die Rede war bei diesem eigenartigen Vergleich vom Tobi Reiser Adventsingen in der Großen Aula. Das sind also die Secessionisten vom Großen Festspielhaus, die den Anspruch, eine starke und eigenwillige Tradition weiter zu tragen, nicht nur erheben, sondern auch einlösen. Da klingt also der herbe Stil der Riederinger Sänger und der Fischbacher Sängerinnen weiter. Tobi Reiser stand keineswegs für bloßes Bewahren, sondern auch für die Neuschöpfung. Vieles, was heute als pure „Volksmusik“ erscheint, hat er komponiert. Die Saitenmusik mit Hackbrett, wie sie das Tobi-Reiser-Ensemble pflegt, ist seine Erfindung und wirkt doch so „authentisch“. So hält es jetzt auch Josef Radauer, der ebenfalls so manchen Satz aus seiner Feder einschleust – die Sache wirkt rund und stimmig.
Es muss also nicht gleich eine hochprofessionelle Sacro-Oper mit tendenziellem Folk-Einschlag sein, wie man sie heuer im Großen Haus erlebt. Das Tobi-Reiser-Adventsingen lebt vom sehr bewussten Umgang mit dem „Originalklang“, den Reiser in den zwei Jahrzehnten nach dem Krieg herausgebildet hat. Dass es nicht bloß tönendes Museum bleibt, hängt damit zusammen, dass man Ensembles zur Verfügung hat, die diese Musizier- und Singpraxis noch unmittelbar leben. Das erspart viele Arrangement-Probleme, die man sich mit den Modernismen im Großen Festspielhaus zwangsläufig einhandelt.
Gleich zwei größere Gruppen von Hirtenkindern kann Radauer einsetzen, und er tut das ausgiebig: Sie steigern den „Herzkultur“-Faktor entscheidend. Ganz liebe Mäderln und nette Kerle sind drunter. Den Mettenjodler stimmt ein Dunkelhäutiger an! Diese Hirtenkinder (aus namhaften Salzburger Volksmusikanten-Familien) haben auch instrumental allerhand drauf.
Mit Hans Stadler und Alfred Kröll hat man sich die Charismatiker schlechthin aus der einschlägigen Laientheaterszene geangelt. Kröll nimmt man jederzeit den zu bekehrenden hartherzigen Wirt unserer Tage ab, und Hans Stadler steht souverän für unaufdringliche Klugheit und Menschlichkeit. Josef Radauers Texte und jene von Walter Müller gehen gut zusammen. Sie stehen weit über den Laientheologen-Platitüden, die beim Adventsingen auf der anderen Seite der Hofstallgasse strapaziert werden.
Aus den kleineren Dimensionen in der Großen Aula zieht man Profit. Siegwulf Turek hat einen praktikablen Bühnenaufbau geschaffen, der die Musiker und Sänger auf einer Seite versammelt und links eine Wirtsstube zeigt. Viel Auslauf dazwischen für die Hirtenkinder. Über den Stil der Projektionen könnte man streiten, aber es gelingt Turek damit jedenfalls, von der Dürftigkeit des Raumes abzulenken.
Es macht letztlich einen Riesenunterschied, ob ein Adventsingen vor sechshundert oder zweitausend Menschen stattfindet: Hier wirkt es intim, man hat im Wortsinn leichteres Spiel – und der „Herz-Faktor“ stellt sich ungezwungener ein.