Tod unterm Sternenbanner
SCHLOTE-ZYKLUS / KULTURTAGE / MADAMA BUTTERFLY
25/10/11 Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ zum Abschluss der Salzburger Kulturtage im Großen Festspielhaus: Die Produktion bezieht ihren eigenen Reiz aus der konsequenten Besetzung aller japanischen Rollen mit asiatischen Sängerinnen und Sängern.
Von Gottfried Franz Kasparek
Das praktikable und stimmungsvolle Bühnenbild von Norbert Wengorz mit seinen üblichen verschiebbaren Hauswänden füllt gerade die Hälfte der Bühne im Großen Haus aus, aber das ist in diesem Falle nicht vermeidbar. Sartoria Giamminelli hat all die singenden „Exoten“ entsprechend bunt kostümiert. Die Inszenierung von Corinna Boskovsky folgt dem Textbuch der gewählten Zweitfassung, die immer noch den Opernalltag beherrscht, obwohl die Urfassung mit mehr Detailzeichnung, mehr Kritik am arroganten Kolonialismus des Leutnants Pinkerton und mehr musikalischer Schärfe zwingender wäre.
Ein immer wieder tief berührendes Drama um eine missbrauchte junge Frau bleibt das Stück natürlich auch dann, wenn Pinkerton, nach heutigen Begriffen ein Sextourist mit Neigung zum Gefühlsüberschwang, seine romantisierende Abschiedsarie singen darf. Die Regie besticht durch viele liebevoll erarbeitete Details, gute Personenführung und gelungene Beleuchtung. Dass Butterfly in der Erwartung des treulosen Kurzzeitgatten mit dem Fernrohr auf die Berge statt auf das Meer blickt, ist ein kleiner Fehler. Dass Cio-Cio-Sans Kind eine Puppe ist, hat mir den Eigenarten eines Tourneetheaters zu tun, verhindert aber das originale Finale. Die sterbende, verlassene Mutter schleppt sich zwar noch auf die Bühne, findet jedoch kein Kind mehr und bedeckt sich mit letzten Kräften mit dem Sternenbanner, welches die ganze Zeit als Menetekel gedient hat. Ein Effekt, aber einer zuviel.
Die Stimmen der Compagnia d'Opera Italiana di Milano darf man nicht nach der Größe des Festspielhauses messen. In Stadttheatern kommen sie sicher besser zur Geltung. Die junge Koreanerin Sonia Lee in der Titelrolle kann das Mädchen von 15 Jahren ebenso glaubwürdig darstellen wie die Tragödin im Finale. Anfängliche Nervosität und flackernde Führung des klaren lyrischen Soprans verlieren sich im Verlauf des Abends, manch schwebendes Piano lässt aufhorchen. Moon Jin Kim macht die Dienerin Suzuki mit edlen Mezzotönen und ausdrucksstarkem, beseeltem Spiel zu einer Hauptrolle. Takanobo Sugimoto als skrupelloser Heiratsvermittler Goro ist ein quirliger Bewegungskünstler mit passendem Spieltenor. Alberto Angeleri, der nicht mehr sehr junge Pinkerton, punktet als gestandener italienischer Mittelklassetenor mit angenehmem Timbre und robustem Auftreten. Omar Camata, als Sharpless der „gute Amerikaner“, gefällt mit sympathisch natürlicher Erscheinung und seriösem Bariton. Mariela Alexandrova ist als Kate Pinkerton einfach da – was bleibt ihr anderes übrig. Fürst Yamadori, Onkel Bonze und die restliche japanische Verwandtschaft der Butterfly entsprechen ihren Rollen und entwickeln allesamt griffige Figuren.
In kleineren Räumen wird wohl auch die „Bulgarische Philharmonie Pazardjik“ mehr Klangentfaltung bieten können. Dass Puccini kein Rührstück und nicht nur unter die Haut gehende Melodien, sondern auch modernes Musiktheater von 1904 mit schillernden Instrumentalfarben, bis zur Bitonalität reichenden Aneignungen japanischer Musik und einem aufwühlend dissonanten Ende geschrieben hat, kann der routinierte Kapellmeister Hristo Mihalev mit oft spannungsloser Bemühtheit kaum vermitteln.