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„Wir lassen uns nicht versklaven“

IM INTERVIEW / ANDREAS GERGEN

21/10/11 Andreas Gergen, Opernchef im Salzburger Landestheater und Regisseur des Musicals „The Sound of Music“, im DrehPunktKultur-Gespräch. Gergen findet in der Geschichte mehr politische Relevanz, als man ihr gemeinhin zuschreibt. Am Sonntag (23.10.) hat das Musical im Landestheater Premiere.

Von Reinhard Kriechbaum

„Die Bühnenfassung ist politischer angelegt als der Film“, erzählt Andreas Gergen, und damit trifft sich seine Einschätzung ziemlich genau mit jener, die man beispielsweise im „Lexikon des internationalen Films“ nachlesen kann. Die legendäre Verfilmung von Robert Wise (1964) mit Julie Andrews als Maria, die im deutschen Sprachgebiet unter dem Titel „Meine Lieder - meine Träume“ lief, kommt dort gar nicht gut weg: „An der Grenze zur Peinlichkeit“ sei die „oberflächliche Aufbereitung des politischen Hintergrundes“. Der deutsche Verleih habe den Film nach der Erstauswertung „rigoros“ gekürzt, „so dass der Film ‚freundlicher‘ und konsumierbarer, in seiner Konzeption freilich zerstört“ worden sei.

Da will Andreas Gergen einhaken und in der Aufführung von „Sound of Music“ im Salzburger Landestheater beispielswiese „den Anschluss Österreichs umso gefährlicher, authentischer zeigen“. Ist ein freier Umgang mit dem Stoff überhaupt möglich? Schließlich sind die Rechte bei Musicals oft bis ins Detail festgeschrieben. „Wir sind den Lizenzgebern verpflichtet, aber wir lassen uns nicht versklaven“, sagt Gergen im DrehPunktKultur-Gespräch. „Wir machen das Stück fürs Publikum, nicht für den Lizenzgeber.“

Überall auf der Welt kenn man ja „Sound of Music“, nur im deutschen Sprachraum ist es so gut wie unbekannt geblieben. Wo rührt diese Trapp-Antipathie hierzulande eigentlich her? „Es gibt ein Vorurteil, das sich aus Klischee-Vorstellungen nährt“, erklärt Gergen, „dem Stück eilt ein falscher Ruf voraus“. Die „Balance zwischen Tiefgang und Herzlichkeit“ zu halten, sei eine Herausforderung. Gerade in Salzburg – geographisch sozusagen in der Höhle des Löwen, am vermeintlichen Originalschauplatz. Der ist bekanntlich so original, dass die Trapp-Familie, unmittelbar nach einem Auftritt im Großen Festspielhaus, mit Koffern zu Fuß (!) über den Untersberg direkt in die Schweiz flieht.

Auch die konkrete Verortung wird also ein Thema sein: „Wir haben versucht, Postkarten-Abbildungen zu vermeiden“, so Andreas Gergen, der „Sound of Music“ gemeinsam mit Christian Struppeck in Szene setzt. „Die Trapp-Villa wird auch optisch präsent sein“ – aber so, wie sie tatsächlich im Salzburger Stadtteil Aigen steht und nicht so, wie man sie in der Musicalverfilmung mit Julie Andrews kennt: Da hat nämlich auch das Schloss Leopoldskron als Drehort herhalten müssen. Das in den Vorkriegsjahren im Besitz von Max Reinhardt befindliche Schloss macht für Amerikaner logischerweise mehr her.

A propos Max Reinhardt: Dessen Söhne Wolfgang und Gottfried waren beide im Filmgeschäft tätig. Wolfgang Reinhardt (1908-1979), Filmproduzent in Hollywood und in Europa, war es, der Maria Augusta von Trapp die Filmrechte an ihren Lebenserinnerungen („Vom Kloster zum Welterfolg“) für 10.000 Dollar abluchste – ohne das übliche Anrecht auf zusätzliche Erfolgsbeteiligung.  „Maria, die sich in solchen Dingen nicht auskannte und das Geld dringend brauchte, wil­ligte schließlich unbedacht und blauäugig in den eher unlauteren Handel ein“, schreibt Co-Regisseur Christian Struppeck im Programmheft.

Der Weg führte dann von der Erstverfilmung „Die Trapp-Familie“ (1956) mit Ruth Leuwerik als Maria zum Bühnenstück, für das Richard Rodgers die Musik und Oscar Hammerstein II die Liedtexte schrieb. Das Libretto selbst stammt von Howard Lindsay und Russel Crouse. Auf dem Musical schließlich fußt die Verfilmung, die man heutzutage mit Trapp und „Sound of Music“ assoziiert, hierzulande aber beharrlich nicht anschaut. Die Hauptdarsteller der Salzburger Aufführung stehen durchaus für die derzeitige Rezeption: In Holland, wo die Maria der Salzburger Produktion im Salzburger Landestheater herkommt, „hat den Film jeder zu Hause“, wie Wietske van Tongeren in einem Pressegespräch versicherte. „Schon als Vierjährige“ habe sie Julie Andrews in dieser Rolle gesehen und sie assoziiert mit der Stadt deshalb – so wie etwa angeblich die Hälfte der Salzburg-Touristen – natürlich mit „Sound of Music“, und mit Schifahren. Der Deutsche Uwe Kröger, Darsteller des Baron von Trapp, hat die Musical-Verfilmung „erst vor einem dreiviertel Jahr gesehen“, sagte er damals.

Regisseur Andreas Gergen: "Ein Spiegel sind für mich die Kinder.“ Zwanzig sind gecastet worden, es gibt auf der Bühne drei „Kinderfamilien“ und einige Rollen sind bis zu vierfach besetzt. Das gleiche Fingerspitzengefühl, das er brauche, um den jungen Sängerinnen und Sängern des „Do-Re-Mi“ die Geschichte zu erzählen, brauche es auch für die Erwachsenen, das Publikum also. Gergen will die Leute „nicht anklagen“, sondern sie „mit Sensibilität“ heranführen an eine Geschichte, die er als eine „mit europäischer Dimension“ einstuft.

Gemeinsam mit Christian Struppeck hat Andreas Gergen im Salzburger Landestheater in der vergangenen Saison "Frau Luna" inszeniert. Seit Beginn dieser Saison ist er Opernchef in Salzburg. In "La Traviata" wird er im kommenden Frühjahr selbst Regie führen.

„Sound of Music“  hat am Sonntag (23.10.) Premiere und steht bis 8. Juni auf dem Spielplan des Salzburger Landestheaters - www.salzburger-landestheater.at
Bild: Salzburger Landestheater
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