Nachtlokal mit Orgel
KULTURTAGE / SCHLOTE
17/10/11 Operette im Großen Saal des Mozarteums. Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“ von 1915 in einem 1914 eröffneten Konzertsaal. Fast ein Originalschauplatz!
Von Gottfried Franz Kasparek
Auch wenn die weihevolle Orgel einen recht schrägen Kontrapunkt zum Nachtlokal des 1. Akts abgibt, passt das Stück in die dekorative Architektur seiner Zeit - und benötigt in der „halbszenischen“ Aufführung von Schlotes „Operettentheater Salzburg“ im Rahmen der Kulturtage kein Bühnenbild, sondern nur ein paar Requisiten.
Wenn Kálmán im Finale den Hochzeitsmarsch von „Mendel und Sohn“ pfiffig zitiert, spielt quasi stumm auch die Orgel mit. Im Palais des zweiten und im Hotelfoyer des 3. Akts hat man sich an sie gewöhnt. Das tapfere, unter Dimitar Panovs Leitung recht schmissig aufspielende Orchester in relativ kleiner Besetzung sitzt unter der Orgel, davor bleibt eine Spielfläche frei, die weidlich ausgenützt wird. Natürlich: Der Zauber der Tanzoperette ist hier nur sehr begrenzt erlebbar, aber Regisseurin Lucia Meschwitz hat eine im besten Sinn traditionelle, perfekt gearbeitete und sehr tourneetaugliche Inszenierung vorgegeben. Es müssen nicht immer Totenschädel a la Konwitschny über die Bühne rollen, um den doppelten Boden dieser bittersüßen Adelsgroteske am Abgrund des Weltkriegs zu verdeutlichen. Kálmáns geniale Musik bewirkt dies auch für sich.
Auf der Bühnenfläche tummelt sich ein spielfreudiges und sehr bewegliches Ensemble. Judit Bellai ist eine Sylva Varescu mit ungarischem Pep und hübscher Stimme, Daniel Zihlmann ein nicht mehr ganz junger, aber glaubwürdiger und achtbar singender Adelsspross Edwin, Katrin Fuchs eine liebreizend blonde Stasi in Figur und Stimme, Georg Leskovich hat als temperamentvoller Feschak Boni mit Graf Bobby-Charme und vollem Körpereinsatz die Lacher auf seiner Seite. Daniel Ferlin ist ein recht würdevoller Feri bácsi mit dezenter Ausstrahlung und nobler Stimmführung. Fritz Stein findet exakt die Grenze zur Outrage als täppischer alter Fürst. Seine gar nicht so altadelige Gemahlin Anhilte ist Franziska Stanner, einst eine beliebte Soubrette am hiesigen Landestheater, nun im Charakterfach gut aufgehoben. Für sie ist im Finale das Lied „Sterne der Bühne“ aus der späteren Kálmán-Operette „Die Bajadere“ eingelegt und sie macht daraus eine wundersam leidenschaftliche und berührende Liebeserklärung an das Theater. Und der immer wieder als Zigeunerprimas nach vorne kommende Konzertmeister, ein liebenswerter Musikant mit persönlicher Ausstrahlung, erhält zurecht seinen Sonderapplaus.
Da auch die kleineren Rollen und der Mini-Chor samt Tanzeinlagen gute Stimmung verbreiten, steht einem vergnüglichen Operettenabend nichts im Wege. Wäre es nicht überhaupt lohnend, diesen auch akustisch sehr tauglichen Raum öfter für die Operette zu nutzen? Mozart, der bekanntlich seine „Entführung“ selber als „Operette“ bezeichnete, hätte sicher nichts dagegen. Und leider wird dieses österreichisch-ungarische, ja europäische Kulturerbe sonst wo in Salzburg offensichtlich nicht mehr gepflegt.