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Desperate Housemen

LANDESTHEATER / DON GIOVANNI

14/02/11 „Halloween bei Desperate Housewives“ - zwei Worte reichen für das Setting des neuen „Don Giovanni“ am Landestheater. Schlagworte, nicht Schimpfworte. Große Tragödie funktioniert auch im amerikanischen Kleinbürgertum. Jubel auch am Freitag (11.2.) beim Premierenpublikum.

Von Heidemarie Klabacher

altReihenhaus, Holzveranda, leuchtender Kürbis, Flagge. Weniger Signale würden auch reichen: Männer und Frauen, wie sie gerade von einem der „Vierzig Wagen westwärts“ steigen, aber auch Eigenheim, Bankencrash und das Ende des amerikanischen Traums fallen einem schon ein, da schwingen die samtroten Falten des Bühnenvorhangs noch nach. Leporello hält Wache im Vorgarten, rauchend, gelangweilt auf dem Handy tippend, Bierdosen zerdrückend.

altSoviel gleich anfangs zur Ausstattung von Bettina Richter, weil die Inszenierung von Jacopo Spirei darin so ausgesprochen - ja so verdächtig gut - funktioniert. Don Giovanni - in der Neuen Welt angekommen - ist Nichts und Niemand mehr. Simon Schnorr gibt statt des charismatischen Verführers einen jungen Burschen von heute, perspektivenlos, daher zur Gewalttätigkeit neigend, jämmerlich eindimensional.

Das fällt bei den „Personen und ihren Darstellern“ in dieser Lesart überhaupt auf: Sie sind am Ende des Stücks genauso, wie sie am Anfang waren, serientaugliche soap opera-Figuren.

altGut vorstellen kann man sich Episode 143 der Staffel 17: Don Giovanni-Nebenan hat sich von dem Horrortrip jener Halloween-Nacht, in der er wegen akuter multipler Persönlichkeitsstörung in die Psychiatrie eingeliefert worden war, wieder erholt, und denkt an die Tochter des Methodistenpfarrers. Spezi Leporello steht mit der Sporttasche voller Bierdosen bereit, für neue Taten… Endlos Schleife statt Mythos? Warum nicht. Bei aller scheinbaren Harmlosigkeit lädt die Inszenierung Jacopo Spirei zum Nachdenken ein. Das soll ja nicht schaden.

altMusikalisch ist der neue Don Giovanni im Landetheater ein Schmuckstück. Das junge Ensemble liefert hervorragende Leistungen, verleiht allen Rollen - nicht Profil, das verbietet die Regie - aber unverwechselbaren Klang, singt technisch souverän, klangfarben- und nuancenreich.

Simon Schnorr als Don Giovanni, Marcell Bakonyi als Leporello, John Zuckerman als Don Ottavio (Typ heterosexueller Buchhalter bei Sex in The City), Johannes Wiedecke als Komtur (cooler Auftritt als Leiche im Sarg des kleinstädtischen Bestattungsunternehmens) und Hubert Wild als Masetto (direkter Nachfahre der Pilgrim Fathers mit Schießprügel unter dem Kopfpolster): Die Männer sind eher die Karikaturen, „Desperate Housemen“, während die Frauen eindringliche Porträts liefern, darstellerisch viel näher am Menschen, als an der Serienzicke: Anita Watson als Donna Anna, Julianne Borg als Donna Elvira, Karolina Plicková als Zerlina überzeugen.

altDas Mozarteumorchester brilliert unter der Leitung von Leo Hussain, mit einer geradezu wundersam transparenten Wiedergabe: dynamisch, aber nicht überhastet in den Tempi, mit viel Klangraum zur Entfaltung auch kleiner Motive etwa in den Holzbläsern. Kompakt, beinahe kammermusikalisch wirkte der Klang, um dann immer zur großen Linie aufzublühen:

ein ideales Fundament für die Sänger. Und wie musikalisch und präzise war nicht das Geschehen auf der Bühne ausgerichtet auf die Musik: Das fiel in zahlreichen kleinen und kleinsten Gesten auf, die geradezu spielerisch mit dem Continuo-Hammerklavier zu flirten schienen. Ein Genuss.

Bilder: Landestheater/Christian Schneider

 

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