Maria und Josef sind bibelfest
SALZBURGER ADVENTSINGEN
26/11/10 Der liebe Gott hat die Eltern für seinen Sohn gut gewählt: Maria und Josef haben das Alte Testament intus. Sie versichern einander beim Salzburger Adventsingen sogar ihre Liebe in Zitaten aus dem Psalter. Josef staunt zurecht, wie bibelfest seine künftige Ehefrau ist.
Von Reinhard Kriechbaum
Wäre es nicht ganz sicher sehr ernst gemeint, müsste man den Textschreibern beinah Ironie unterstellen. Maria und Josef reden diesmal auch gar nicht im alpenländischen Dialekt, sondern in Hochsprache, wie übrigens auch die kleine Asylanten-Familie, der die Schubhaft droht.
Man ist heuer wieder ganz nah dran an der biblischen Botschaft, Herbergssuche wird auch als ein Problemfeld unserer Zeit ausgemacht und angesprochen. Es ist aber etwas ziemlich anders heuer als in den letzten Jahren: Die Dramaturgie wirkt gestrafft und die Librettisten (vor allem Adventsingen-Leiter Hans Köhl, aber auch Regisseurin Veronika Pernthaner und der Komponist Klemens Vereno) haben das Thema nicht auf Biegen und Brechen ausgereizt. Das war früher nicht immer so, da wurde die jeweilige Adventbotschaft dem Publikum gelegentlich gnadenlos eingebläut.
Eine gewisse Dezenz ist heuer spürbar, und im Szenischen gibt es deutlich mehr Professionalität als Herzblut. Das tut dem Adventsingen sehr, sehr gut. Die Laiendarsteller bewegen sich sicher, keine Emotion gerät außer Kontrolle, die Gesten erscheinen nicht aufgesetzt, sondern unmittelbar aus dem Text und der Musik heraus entwickelt. Veronika Pernthaner hat als neue Regisseurin an dem exponierten Ort absolut überzeugt, nicht nur als ausgewiesene Spezialistin im Umgang mit Laienschauspielern, sondern auch als Musiktheater-Regisseurin. Das Timing passt immer perfekt.
Die musikalische Strategie beim Adventsingen ändert sich auch von Jahr zu Jahr. Manches Mal beschränkt sich das neu Komponierte auf Überleitungen und Einzelsätze. Diesmal aber hat Klemens Vereno alle Möglichkeiten ausgeschöpft und weite Teile durchkomponiert. Der Tradition verhafteten Gemütern mag der Volksmusik-Anteil heuer zu gering sein, dafür ist die Produktion diesmal – darauf hat der Dirigent Herbert Böck schon im Pressegespräch jüngst hingewiesen – tatsächlich ein echtes „Weihnachtsoratorium“ geworden. Nicht nur das „Magnificat“ ist ein Satz, der jederzeit im Konzertsaal für sich bestehen könnte. Selbst das populäre Adventlied „Wer klopfet an“ bekommt Strophe um Strophe eine neue instrumentale Beleuchtung. Gleichsam postmodern lässt Vereno mit den melodischen Motiven spielen. Die Tonsprache unserer Zeit wird nicht negiert. Die Musik, mit der sich der verkündende Engel an die schlafenden Hirten wendet, stünde einem Filmkomponisten in Hollywood gut an. Und doch fügt sich das alles gut zusammen und erschlägt die gezupften und gestrichenen Saitenklänge aus der Volksmusik-Ecke nicht.
Die doppelchörigen Chorsätze, oft überhöht von der links und rechts positionierten Bühnenmusik, sind äußerst wirkungsvoll. Herbert Böck hat die Gruppen gut im Griff, die kleinen Vokalensembles (Flachgauer Dreiklang, Salzburger Sänger) machen stimmlich gute Figur, auch wenn sie mit fremdartigeren Harmonien konfrontiert sind.
Hatten die Protagonisten eigentlich schon einmal so viel zu singen? Simone Vierlinger (Maria), Bernhard Teufl (Josef), Ilse Grießenauer (Elisabeth) und Felix Reinhard Leitner (Wirt) sind allein und in Ensembles herausgefordert. Und der Engel hat diesmal besonders viel zu tun, zu verkündigen und zu erklären – diese exponierten Sopran-Stücke singt Magdalena Hinz mit jugendlicher Unbefangenheit.
Ein bisserl was zum Nörgeln gibt es schon auch: Freilich fliegen den Hirtenkindern wieder alle Sympathien zu, aber sie bewegen sich heuer ein wenig steif, vor allem in der Gruppe. Man findet halt auch nicht jedes Jahr echte Charismatiker unter den jungen Leuten.