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Der Seefahrer mit dem Bilderrahmen

GROSSES FESTSPIELHAUS / DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

15/10/10 Mit Wagners „Fliegendem Holländer“ beendete das Salzburger Landestheater die umstrittene Spielpause im Großen Festspielhaus und beeindruckt mit einer nahezu festspielwürdigen Gesamtleistung. Ivor Bolton dirigiert zum ersten Mal eine Wagner-Oper.

Von Christiane Keckeis

altBilder haben Faszination, der Betrachter kann sich hineinversenken, darin versinken, Welten entdecken, Lösungen finden. Bilder sind das Element, das Regisseur Aaron Stiehl zum Leitmotiv der Wagnerschen Leitmotivoper gewählt hat, und er erzählt damit eine dichte, intensive und weitgehend schlüssige Geschichte.

Die Geschichte beginnt schon vor der Ouvertüre, sie beginnt in einer Galerie, an einer Bilderwand. Schwarz-weiße batikähnliche Zeichnungen thematisieren das Meer und seine Kraft. Ein einsamer Besucher, der Maler vielleicht, wandert unruhig, fast zwanghaft hin und her. Er trägt einen Bilderrahmen, schließlich hängt er ihn zu den anderen: eine schwarze Leinwand, noch ohne Imagination, in die er schließlich eintaucht, hinter der er die Zeichnungswelt entdeckt. Als Verfluchter auf der Suche nach Heil erlebt er die Geschichte hinter dem Bild.

Wunderbare Bühnenbilder hat Jürgen Kirner dazu geschaffen, bei aller Einfachheit raffiniert und voller überraschender Effekte, Zeichnungen, die im sensibel eingesetzten Licht Dimensionen und Leben erlangen. altDie Reduktion auf nur vier Farben - Schwarz, Weiß und mit Symbolgehalt Rot und Blau – intensivieren die Spannung auf der Bühne. Das ist Regietheater ohne Ablenkung und Schnickschnack, ganz wesentlich und stark.

Stark und wesentlich ist auch das Stichwort für die musikalische Deutung der frühen Wagner-Oper: Was Ivor Bolton und das hochmotivierte Mozarteum-Orchester gestalten, liegt fern ab von oft gehörtem Wagner-Schwulst. Da hat feine Durchsichtigkeit ebenso Raum wie übermütige Folklore, schwelgende Walzerklänge und hochdramatische Emotionalität stehen nebeneinander, vital, energiegeladen, sensibel. Das Bild altdes Sturmes, der peitschenden Wellen entsteht musikalisch plastisch und mit herrlicher Präzision: Bilder als Themen, auch im Orchestergraben. Wie Bolton mit den Pausen, mit dem Atem umgeht, voller Spannung und dramaturgisch so klug, ist gelegentlich zum Atemanhalten oder Gänsehautkriegen, ebenso versteht er es mit ausgefeiltester Dynamik Stimmungen und emotionale Zustände fühlbarer zu machen - und o Wunder, auch ein Wagner-Sänger kann, so begleitet, im Großen Festspielhaus ein berührend schönes Pianissimo singen.

Marcus Jupither wird zum  rastlosen Seefahrer: eine gewaltige Persönlichkeit, dieser Holländer, und eine herrliche Stimme: kultiviert und kraftvoll, farbenreich, textdeutlich, kein Stemmen, keine hörbaren Schwächen. Eine Glanzbesetzung, die auch darstellerisch überzeugt.

Präsent, präzis und beweglich wächst der Chor des Landestheaters (Ltg..Stefan Müller)  über sich hinaus,  von der Regie auch spielerisch sehr differenziert geführt, tragen sowohl die Herren als auch die Damen altzum musikalisch-theatralischem Bilderbogen wesentlich bei. Die Begegnungsszene zwischen Matrosenchor und Geisterchor beispielsweise gelangt zu selten gehörter Dichte und Intensität. Das wächst ins Unheimliche und wirkt nicht mehr nur schön harmlos gruselig.

Harmlos ist überhaupt wenig in dieser Deutung, weder der Vater Daland (stimmlich eng: Bjani Thor Kristinson), der ohne zu zögern seine Tochter verschachert, noch der glücklose Jäger Erik (mit vielseitigem schlanken Tenor: altJeffrey Lloyd-Roberts), ein Spießbürger mit buchstäblich weißer Weste, dem bei Widerstand vonseiten Sentas durchaus auch schon mal die Hand ausrutscht. Auch die Senta (mit überzeugender Höhe, aber wenig Wärme: Julie Makerov) ist nicht ohne, sie tritt eher verbohrt auf mit durchaus vorhandenem Aggressionspotential, nicht als der sanfte Engel, das verträumte Mädchen. So spannend diese Sicht sein könnte, hier ist die Zeichnung nicht ganz schlüssig, die Wandlung der Senta zur aufopfernden Frau nicht wirklich nachvollziehbar.

Mit dem schlussendlichen Erlösungsmotiv befinden wir uns wieder am Anfang, in der Galerie, der einsame Wanderer, der vom Bann befreite Holländer hat die schwarze Leinwand gefüllt mit einem Motiv der Hoffnung.

Vielleicht auch die Hoffnung auf weitere so überzeugende Produktionen des Salzburger Landestheaters im Großen Festspielhaus? Diesmal dauert es gewiss keine sieben Jahre.

Aufführungen bis 30. Oktober im Großen Festspielhaus. - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christian Schneider

 

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