Musik und Tanz machen den Lebenskampf geschmeidig

LANDESTHEATER / DER LAUF DES LEBENS

04/02/24 „So läuft er sich leichter, der Lebenslauf“, kalauerte einst Karl Kraus und meinte den Höhenflug im Traum. Im Sportmusical Der Lauf des Lebens, von Marco Dott mit der Musik von Katrin Schweiger, uraufgeführt in den Kammerspielen des Landestheaters, ist die Quintessenz für athletische Höhenflüge: „Just do it.“

Von Erhard Petzel

Als inhaltliches Gerüst dienen Marco Dott Interviews mit Menschen aus dem Spitzensport in verschiedenen Disziplinen. Die werden im Programmheft in Bild und Kurztext auch vorgestellt, sodass fest steht, dass hier keine beliebige Fiktion vorliegt. Und doch braucht man keinen moralisierend lähmender Seelen-Striptease befürchten, weil Leyla Bischoff, Larissa Enzi, Daniel Therrien, Thomas Wegscheider, Maximilian Paier und Patrizia Unger zwar schweißtreibend in die Rollen aus der Sportwelt schlüpfen, das aber in künstlerisch überhöhter Form. Von Anfang an dominieren Tanz, zu dem im Chor trotz körperlicher Höchstleistung hervorragend gesungen wird, und schwungvolle Soli. Alles ist in choreografierte Szenen zusammengebunden.

Gregor Schulz als gnadenloser Einpeitscher in den Funktionen von Trainer, Coach und Funktionär ist eine diabolische Erscheinung. Eine herrlich komödiantische Szene gegen Schluss,eines Woody Allen würdig: Schulz als Körper im Kampf gegen den Geist, nach Beendigung der Karriere.

Eva Musils Bühne führt gleich mitten ins Geschehen mit zwei seitlichen Spind-Reihen, die sich für knallige Auftritte verwenden lassen, einem Boden aus Sportbahnen, zwei Kästen und einer Leinwand für illustrierende Projektionen. Diesem Sportstätten-Charme entsprechen die Kostüme, die typische Sportkarrieren chronologisch spiegeln. Witzig bis berührend die Motivation, wie man als Kind zum Sport zu kommt. Da können die Ninja Turtles ebenso Auslöser sein wie die Mama, die einen als Skibuslenkerin mitgenommen hat. Fast immer festigt Zuspruch von außen den Beginn einer Karriere, eigener Ehrgeiz steht nicht unbedingt am Anfang. Es kann auch sein, dass man in der Pubertät die Talentierteren überflügelt. Unerbittlich aber sind die Grundsätze eines Trainings an die Spitze, die Klagen, Ausflüchte und Auszeiten energisch verbieten.

Unerbittlich, oftmals auch ungerecht und willkürlich die Auslese, der Kampf gegen Mobbing und die erfolgreiche Selbstbehauptung. Eingeimpft wird dazu ein Kanon an Eigenschaften: Ehrgeiz, Fleiß, Talent, Verzicht, Leichtigkeit, Durchhaltevermögen, Disziplin, mentale Stärke, Wille, Geduld, Glück, Leidenschaft für die Sache, gepaart mit Spaß daran und definierte Ziele vor Augen. So würde die Vita maxima erlangt. Vom Heeressportverband wird nur der Leistungswillige unterstützt, sonst muss man sich Sponsoren suchen. Das führt zum Zwang der Selbstvermarktung durch Werbung und Inszenierung auf Social Media. Auf der Bühne steht der Hühne brandig zugekleistert mit Zetteln für leicht verhunzte Marken (z.B. Blue Bull oder Amazin). Endlich in einem Kader angekommen, ist man der Willkür der Funktionäre ausgeliefert.

Noch schlimmer sind die Kämpfe, die man mit sich selbst ausficht (zwei Stimmen im Kopf als poetische Schattenriss-Projektion). Ein Döner-Song für die Kasteiung beim Essen, Schmerz, Entbehrung, physische und psychische Verletzungen (die vielleicht eine wohltuende Auszeit bewirken). Shitstorm selbst dann, wann man es geschafft hat. Möglichst in nichtssagenden Floskeln antworten. Nach der Karriere im System bleiben, um es zu reformieren? Oder unbedingt raus? Und trotz allem Leid würde man wieder das gleiche Leben führen, seine Kinder auf die gleiche Bahn bringen, wegen der Schule des Lebens, die dem Spitzensport innewohnt, und dem Spaß, den man dabei gehabt hat.

Die Sportwelt ist gerade ein beliebtes Themenfeld für Auseinandersetzungen im Film. Die tägliche Turnstunde im Schulwesen grüßt wie das sprichwörtliche Murmeltier. Gesellschaftliche Trends wie der zur Selbstoptimierung und die ungesunde Arbeitswelt an digitalen Geräten stehen im krassen Gegensatz zueinander.

Marco Dotts Buch mit Katrin Schweigers Musik könnten einen Weg aus dieser Misere weisen: des Lebenskampfs Härte durch Kunst geschmeidig gestalten. Leistung und Spaß am Leben vertragen sich, wenn sie gut kombiniert sind. Mögen sich möglichst viele Schulen aus diesem Stück Anregungen zur Bewegung holen und selbstbewusst im Schulalltag umsetzen. Die Begeisterung des Premierenpublikums bewegte dieses immerhin von den Sitzen.

Aufführungen bis 3.Mai in den Kammerspielen – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christian Krautzberger