A schöne Leich
LANDESTHEATER / BALLETT / WIENER ABEND
03/05/10 Ob die Wiener tatsächlich so eine innige Beziehung zum Tode haben, wie das Klischee ihnen seit jeher unterstellt, gehörte endlich einmal erhoben. Am besten in Einzelinterviews: 1.698.957 Hauptwohnsitzwiener gab es mit Stichtag 1. Jänner 2010.
Von Heidemarie Klabacher
Ob all diese Wienerinnen und Wiener wirklich nichts besseres zu tun haben, als beim Heurigen mit dem lieben Tod ein letztes Achterl zu leeren und auf eine bessere Welt „drüben“ zu trinken? Das sei jetzt einfach einmal in Frage gestellt. Aber das schöne Klischee erlaubt nicht nur regalmeterweise Betrachtungen eines (para-)psychologischen Phänomens, sondern auch wunderschöne Abende.
„Wiener Abend. Lebensgefühl einer Stadt“ nennt Peter Breuer sein jüngstes Ballett, das am Freitag (20.4.) in der Rainberghalle Premiere hatte. Die Felsenwand der Probebühne des Landestheaters eignet sich bestens zum Andeuten von Katakomben und Grabsteinen, aber auch von Abwasserkanälen. Ein farbiger Scheinwerfer mit zart violettrotem Licht reicht da schon aus, um die marmornen Gruft-Türen zur Tapisserie in heimeligen Salons werden zu lassen. So entsteht Atmosphäre: aus einem Nichts an Ausstattung (Manuela Weilguny). Und wenn das Licht dann auch noch Ton in Ton daherkommt mit dem Unterfutter der Samtkleider der Walzertänzerinnen - brillant.
„Der dritte Mann“ war da zu erleben (die Medikamentenschiebereien haben sicherlich viele unfreiwillige Tode gefordert), die Gäste beim Fest anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Zentralfriedhofs (Lebende ausgeschlossen), aber auch das ältliche Pärchen beim gemütvollen „Tauben vergiften im Park“. Schließlich sagt niemand, dass die Wiener Tauben nicht auch todessehnsüchtig sind…
Mit Georg Kreislers „Taubenvergiften im Park“ oder Wolfgang Ambros' „Zentralfriedhof“ ist auch schon der Pulsgeber für diesen ebenso charmanten, wie kurzweiligen Abend genannt: Chansons, G’stanzlen, Songs - Wienerlieder von Leopoldi bis Kreisler, Ambros, Danzer oder Falco - verbinden die Tanzszenen und beleben die Kunstausübung des brillanten Balletts mit Ironie und Schmäh.
Ohne also das wirklich grandiose Ballettensemble hintansetzen zu wollen: Werner Friedl und Susanna Szameit sind die Stars dieses Abends. Zwei Erzkomödianten, Volksschauspieler, haben da mit den Tänzerinnen und Tänzern geschäkert, das kunstvolle - tanztechnisch hochanspruchsvolle und brillant realisierte - Spitzentreiben mit Wiener-Blut und Leben erfüllt. Werner Friedls „Verkörperung“ des „Vorstadtcasnovas“ von Georg Danzer, umgirrt von den „Süßen Mädeln“ des Balletts, wird in Erinnerung bleiben. Und erst recht Susanna Szameits leidenschaftliches Pas de Deux mit dem schönen „Alois“ von Hermann Leopoldi. Begleitet werden die Life-Gesänge von Stephen Barczay am Piano.
Aber auch die Musik aus der Konserve (dass die Tonqualität grauenhaft ist, sei nur angemerkt und nicht übel genommen) ist mit Geschick ausgewählt: Beim „Hinübergang“ Mozarts (der natürlich nicht fehlen darf, mitsamt seiner Konstanze) wird die legendäre Klarinettenmelodie von den flirrrend-jenseitign Klängen der Glasharmonika überlagert. - Ein charmanter Abend.