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Die Dame geht an Russland

SCHLOTE-ZYKLUS / CHESS

29/04/10 Wenn schon große Politik auf der Musical-Bühne, dann doch eher „Miss Saigon“. Aber auch „Chess“ der Abba-Herren Andersson und Ulvaeus hat, zumindest musikalisch, seine starken Seiten. Als Story ist's freilich hanebüchen wie nur.

Von Reinhard Kriechbaum

Bobby Fischer gegen Boris Spasski – das waren Schachtourniere, die es auf die Seite eins der Weltpresse brachten, Anfang der siebziger Jahre, in der Zeit des Kalten Krieges. Das Kräftemessen zwischen den USA und der UdSSR spielte sich an Stellvertreter-Schauplätzen ab, beim Eiskunstlauf oder auf dem Schachfeld. Ein Sieg bedeutete auch Image-Punkte für die jeweilige politische Ideologie.

Da hakten Tom Rice als Librettist und die beiden männlichen „Abba“-Mitglieder Benny Andersson und Björn Ulvaeus 1984 mit ihrem Musical „Chess“ ein. Frederick Trumper und Anatoly Sergievsky heißen hier die Kontrahenten. Eine Frau ist im Spiel, die als 1956er-Exil-Ungarin eine weitere politische Farbe einbringt. In einer haarsträubend konstruierten Geschichte von Liebe, Exil und Herzschmerz lernen die Beteiligten, dass sie bloß Schachfiguren sind auf der Politbühne der Welt.

Mit „Chess“ ging am Mittwoch (28.4.) der Schlote-Zyklus im Großen Festspielhaus zu Ende: eine Horizonterweiterung in Sachen Musical, weil man ja doch nur den Hit „One Night in Bangkok“ im Ohr hat. Die Schlotes haben zu „Chess“ eine innige Beziehung, weil sie vor zehn Jahren die Rechte fürs Stück erworben und „Chess“ damals sehr erfolgreich auf mehrere Tourneen geschickt haben. Da gab's gerade eine „Abba“-Renaissance, in deren Sog auch das nach Auflösung der Gruppe entstandene Musical „Chess“ verstärkt nachgefragt war. 21 Jahre nach dem Zerschneiden des Eisernen Vorhangs ist die Sache freilich deutlich kälter geworden. Auf jüngere Leute muss die Geschichte mit ihren verqueren Polit- und Herzschmerz-Rösselsprüngen mehr als exotisch wirken.

Die Musik ist well-made, das kam jetzt, in der wiederaufgenommenen Produktion des polnischen Musikcaltheaters Gdynia, wieder heraus: Andersson und Ulvaeus verstanden sich drauf, die rechten Pop-Bausteine und einige Versatzstücke aus der Geschichte der Unterhaltungsmusik zusammenzufügen. Die Sache ist farbig instrumentiert, und der Dirigent Dariusz Rózankiewicz schien gerade an diesem Ort sehr aufmerksam zu modellieren. Vielleicht hat er das ein wenig zu schulmeisterlich gemacht - jedenfalls hat die Sache nicht so recht gezündet. Das Publikum hat so manche Gelegenheit für programmierten Zwischenbeifall ungenutzt verstreichen lassen: ein Indiz dafür, dass man sich in dieser Aufführung mehr als Beobachter denn emotional mitgerissen fühlte.

Mag auch sein, dass eine gewisse Tourneemüdigkeit sich auch auf die sängerische Spannung auswirkte und dass die Technik den Kampf gegen die Microports einige Male verloren hat: Das wirkte – das Pauschalurteil sei erlaubt, um einzelnen Sängern nicht unrecht zu tun – alles ein wenig akustisch runtergepegelt und schaumgebremst.

Die Schlote-Aufführung war seinerzeit die erste des Musicals in deutscher Sprache, genauer: mit englischen Songs und deutschen Zwischentexten. Das ist eine vernünftige Lösung. Die Ausstattung hat man sich damals einiges kosten lassen, und sie wirkt immer noch ansprechend. Für eine Tourneeproduktion ist „Chess“ aufwändig, weil personenreich auch im Tanzensemble, das beständig die Kostüme wechselt. Oh ja, das kann man herzeigen.

Bilder: schlote productions

 

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