Zuckerbäcker, Fleischer, Bestatter

UNESCO / IMMATERIELLES KULTURERBE

12/10/22 Man könnte sagen: Jene zehn Bräuche, gesellschaftlichen Praktiken und Handwerkstechniken, die ab heute Mittwoch (12.10.) neu auf der österreichischen UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes stehen, spiegeln das pralle Leben – und sogar dessen Ende.

Von Reinhard Kriechbaum

Fangen wir mit dem puren Genuss an: In den Kulturerbe-Rang gehoben wurde das Handwerk der österreichischen Zuckerbäckerei, denn – so eine der Begründungen – diese Arbeit sei immer noch zu einem großen Teil Handarbeit. „Die Zutaten und die traditionelle Ver- und Bearbeitungsmethoden mit verschiedensten Werkzeugen haben sich im Lauf der Jahrhunderte kaum verändert und dennoch Anpassung und stetige Weiterentwicklung erfahren.“

Mit Genuss hat natürlich auch die Weinviertler Kellerkultur zu tun. Vom „Köllamaunn“ über die „Köllastund“ und die „Köllapartie“ bis hin zur „Köllajausn“ reichen die Gepflogenheiten rund um die Presshäuser und Keller. In Gars am Kamp, also ebenfalls in Niederösterreich, hält man den Zunfttag der Fleischhauer und Fleischhauerinnen und andere Gebräuche, die einst mit dem Zunftwesen zu tun hatten, hoch.

In Tirol geht’s im Fasching bekannterweise hoch her, und so sind nun auch die Patscher Schellenschlagerinnen auf der Liste des immateriellen Kulturguts gelandet. Bräuche sind meist Männersache – aber in Patsch, nicht weit weg von Innsbruck, machen die Frauen, die von einer Hexe angeführt werden, am Donnerstag vor dem Faschings-Wochenende ordentlich Radau. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Einem Übermaß an Genuss und Lebenslust muss man dann doch gelegentlich gegensteuern: Rund tausend Menschen beteiligen sich jedes Jahr an der Wallfahrt der Goldhauben- und Trachtengruppen des Mostviertels, immer an einem anderen Ort. „Die Wallfahrt gilt als wichtiges spirituelles wie auch soziales Ereignis“, heißt es dazu seitens der UNESCO-Kommission, die die Bräuche prüft und dann kürt.

Wenn das Wallfahren wider Erwarten nicht geholfen hat, müssen die Bestatter ran. Trostreich, dass in ganz Österreich das Wissen und die Praxis der Bestatter hochgehalten wird, wo doch das Verstreuen der Asche und anderer esoterischer Unfug auch hierzulande immer beliebter werden.

Insgesamt stehen jetzt 157 Bräuche, Gepflogenheiten und Handwerkstechniken auf der Liste des immateriellen Kulturerbes in Österreich. Weitere neue Einträge gelten der Krippentradition in der Ortschaft Wenns im Tiroler Pitztal, die Traditionelle Bewässerung in der Steinfeldgemeinde Theresienfeld (NÖ), die Naufahrt und der Schiffsgegentrieb mittels Pferdezug auf der Traun (OÖ) und – österreichweit – das Freihandschmieden.

Das Österreichische UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes, das man nicht mit dem Weltkulturerbe verwechseln darf
Bilder: UNESCO / Thomas Nussbaumer (1), Pinter (1); Schifferverein Stadl-Paura (1)