Von den Pinzgauer „Indianern“

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22/01/19 Der Pinzgauer Trestererumzug und -tanz ist einzigartig. Das Salzburger Landesinstitut für Volkskunde stellt nun in zwei Forschungsarbeiten den Brauch vor. „Matthias tanzt“ heißt nicht nur eines der beiden Bücher, es war auch der Titel einer Ausstellung vor anderthalb Jahren im Österreichischen Volkskundemuseum in Wien und vorigen Sommer im Monatsschlössl Hellbrunn.

„Auch wenn dieser Brauch heute eine regionale Eigenheit darstellt, ist er dennoch über mehr als 500 Jahre in eine europäische Geschichte der Kulturkontakte eingebunden“, so Ulrike Kammerhofer, Leiterin des Landesinstitutes für Volkskunde. Er sei zudem ein beeindruckendes Beispiel eines lokalen Tanz- und Heischebrauches. Deutlich sichtbar werden darin der städtische und höfische Einfluss der Barockzeit ebenso wie die Wünsche nach „urtümlicher Ländlichkeit“, wie sie die städtische Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert über Sommerfrische und Alpinismus in die Landregionen trug. Heute ist der Tresterertanz ein Teil der Salzburger Identität und der winterlichen Attraktionen. In der NS-Zeit wurde der Brauch instrumentalisiert, als angebliches Ritual geheimer Männerbünde der Germanen, der mit Fruchtbarkeitskulten (Erde erwecken, Getreide austreten) in Verbindung gebracht wurde, erklärt Ulrike Kammerhofer.

Der Kopfschmuck mit weißen Federn ist nur eine Auffälligkeit der kostbaren Tresterer-Kleidung. (jedenfalls jener in Zell am See, Saalfelden und Bruck; die Kollegen in Unken sehen etwas anders aus). Jedes Jahr am 5. Jänner ziehen Männer, in bunten und aufwändigen Kostümen durch Pinzgaus Bauernstuben und Wirtshäuser. Begleitet werden die Tresterer von „schiachen Vorläufern“, darunter „Kraxentrager“ und „Körblweibl“, „Zwerge“ bzw. „Moosmandeln“, „Oasiedl/Pater“, der „Magd mit dem ledigen Kind“, „Soldat“ oder „Gendarm“ und der „Habergeiß“ mit ihrem „Treiber“. Als Höhepunkt treten zum Abschluss die schönen Tresterer auf. Sie werden vom „Hanswurst“ angekündigt, der den Tanzplatz für sie bereitet.

Über die beiden Bücher zum Thema: „Der erste Band ist eine künstlerisch gestaltete Publikation, der zweite Band dokumentiert Quellen aus Salzburg und weit über das Bundesland hinaus. Damit wird der Pinzgauer Tresterer zum bestdokumentierten Brauch“, ist Ulrike Kammerhofer überzeugt.

Den Titel „Matthias tanzt“ muss man erklären: Matthias Eder war ein Tresterer, dessen Tanzen zwischen 1898 und 1939 in Foto-, Film- und Tonaufzeichnungen festgehalten wurden. Dieses Material hat der Künstlers Thomas Hörl in eine Kunstinstallation eingearbeitet.

Für die volkskundliche Einordnung interessant ist die Forschungsarbeit von Ulrike Kammerhofer, die Spurensuche nach den Ursprüngen, den Aufführungsweisen und dem oftmaligen Bedeutungswandel des Tresterertanzes.

Prof. Ulrike Kammerhofer-Aggermann ist seit 1987 Leiterin des Salzburger Landesinstitutes für Volkskunde. Sie ist Wissenschaftliche Beirätin im Österr. Fachverband für. Volkskunde und im Fachbeirat „Immaterielles Kulturerbe der Österr. UNESCO-Kommission“. Zu diesem Kulturerbe rechnet auch der Tresterertanz. (Landeskorrespondenz/dpk-krie)

Band 1: „Matthias tanzt, Salzburger Tresterer on Stage“. Kunst und Wissenschaft im Dialog. Band 2: „Salzburger Tresterer – aufgefunden und dokumentiert“ (Hrsg. Ulrike Kammerhofer-Aggermann). 
Bild: SLV / Herbert Zotti (1); Bildarchiv Österr. Volkskundemuseum (1)