Mitten im Kunsthistorischen

REST DER WELT / GRAZ / DIAGONALE

19/03/14 Mutterseelenallein marschiert ein Bauarbeiter in einen Saal des Kunsthistorischen Museums. Rumpelnd lässt er sein Werkzeug auf den Boden fallen, so dass man zusammenzuckt. Und dann hebt er die Hacke und zertrümmert, mitten im Raum, eins ums andere Parkettbrettchen! Sabotage in Österreichs Museums-Kulturtempel?

Von Reinhard Kriechbaum

164Der kulturbewusste Filmbesucher weiß natürlich gleich, wie der Hase läuft. Wir sind Zeugen der ersten Maßnahmen für die Wiederherstellung der Kunstkammer. Dass dort, wo gehobelt wird, Späne fallen, leuchtet ein. Die Großbaustelle im linken Parterreflügel des Kunsthistorischen Museums war für Johannes Holzhausen willkommene Auflockerung seines Dokumentarfilms „Das große Museum“. Damit wurde am Dienstag (17.3.) in Graz das österreichische Filmfestival „Diagonale“ eröffnet.

Das große Museum also: Holzhausen hat mit großem Vertrauensvorschuss der Direktorin über Jahre beobachten und entdecken dürfen. Dabei hat er sich ganz ohne Zweifel verliebt – in die Institution „Kunsthistorisches“, in den Mikrokosmos hinter und unter den Schauräumen. Solche Liebe macht einen Dokumentarfilmer logischerweise hellsichtig – aber dann doch auch irgendwie blind. Von beidem zeugt „Das große Museum“.

Eh klar, dass es unter den repräsentativen Schauräumen Gang- und Zimmerfluchten gibt, die überhaupt kein Ende nehmen. Da steigt ein junger Mitarbeiter schon auf seinen City-Roller, taupert Hunderte Meter Depot- und Registerkästen entlang, um endlich beim Laserdrucker zu landen, der gerade ein Blatt ausspuckt. Solche Szenen machen allemal Effekt. Was für ein Kontrast zur Szene nach Sperrstunde, wenn ein Mitarbeiter mit stoischer Ruhe Bahn um Bahn mit seinem Staubsauger zieht.

163Da flucht ein Restaurator, Spezialist auch für Spieluhren, leise vor sich hin, weil der Mechanismus im schiffsgestaltigen Prunk-Tafelaufsatz nicht und nicht anspringen will. Dort fachsimpelt eine Gemälderestauratorin mit einem Spezialisten über Details,die ein Gemälde wohl als Nicht-Rubens enttarnen könnten. Die Direktorin führt derweil einen Kollegen, den Leiter des British Museum, durch die Räume – und der erweist sich als ein Kunst-Sanguiniker von Gnaden, der sich freut wie ein Kind ob der einen oder anderen Merkwürdigkeit.

Pflegerischer Museumsalltag und doch tägliche konservatorische Herausforderung, die Kreativität verlangt. Das ist eine Komponente der Museumsarbeit. Eine andere, heutzutage auch wichtig, ist das Marketing. Da werden die Abteilungsleiter zum Brainstorming gerufen. Der Wirtschaftsdirektor erklärt Strategien. Werbelinien werden besprochen. Der zackige Dreier beim Eintrittspreis für die Jahreskarte will dem Wirtschaftschef partout nicht in den Kopf, „ein No-Go“, erklärt er der versammelten Crew. Eine Museumswärterin tut kund, dass auch die Leute vom Saaldienst gerne mal den anderen Mitarbeitern vorgestellt würden. Ein verdienter Hofrat, der dem Museum und dem Staat offenbar verdienstvollst gedient hat, wird in den Ruhestand verabschiedet.

162Ja, all das gehört wohl dazu. „In aufmerksamem Direct Cinema-Stil – kein Off-Kommentar, keine Interviews, keine Begleitmusik – beobachtet der Film die vielgestaltigen Arbeitsprozesse, die daran mitwirken, der Kunst ihren rechten Rahmen zu geben“, heißt es im Pressematerial. Gut, dass man auf die belehrende Stimme verzichtet hat, die einem manches „Universum“ verleidet. Andrerseits: So ganz ohne (wenigstens indirekten) Kommentar sollte es doch nicht abgehen. Johannes Holzhausen verweigert sich einem solchen aber strikt. Gerade das macht diesen Film auch sehr beliebig. Nach sechzig Minuten fängt man zu überlegen an, wie viele Stunden man nun schon Depotregale entlang geführt wird. Ist jede Mitarbeiterbesprechung so rasend interessant, dass wir Zaungäste sein müssen?

Mitarbeiter, die aus Liebe zur Sache glühen, und Beamtentum in beispielloser Übereinstimmung mit dem historischen Ambiente – das könnte man mit ein wenig Distanz spannender, lustvoller, vielleicht auch ironischer erzählen. Da jedenfalls wird deutlich, dass des Filmemachers Liebe zum „Kunsthistorischen“ ihn auch blind gemacht hat.

Das Filmfestival „Diagonale“ in Graz dauert bis Sonntag, 23. März – www.diagonale.at
Am Eröffnungsabend hat Georg Friedrich den Großen Diagonale-Schauspielpreis Preis entgegengenommen. - Die Eröffnung ist immer auch Anlass, über die Film-Finanzierung nachzudenken. Die vom ORF angedrohte radikale Kürzung der Mittel durch den ORF (nach dem Wegfall der Gebührenrefundierung) zog sich logischerweise durch die Reden. In einer an die Regierungsparteien und die Geschäftsführung des ORF adressierten Videobotschaft warnen zahlreiche Vertreter/innen der Filmbranche vor den unmittelbaren Auswirkungen der drohenden. Gleichzeitig appellierten sie an die Politik, eine Sicherung der Mittel für heimische Film-/Fernsehproduktionen im Rundfunkgesetz zu verankern. Dazu kann man auch online eine Petition unterschreiben unter www.filmfernsehfreunde.at
Bilder: Diagonale