So lebenswert ist Slowenien!

GRAZ / DIE NACHTIGALL VON GORENJSKA

14/02/24 Mit den allernächsten Nachbarnund ihren Nationalopern ist es so eine Sache. So gern wir nach Ungarn zum Zahnarzt fahren – spielt hierzulande irgendwer Hunyadi Lászlá oder Bánk Bán von Ferenc Erkel? Und dass es in Slowenien ein Beinahe-Remake der Verkauften Braut gibt, das wissen selbst eingefleischte Opern-Kenner nicht.

Von Reinhard Kriechbaum

Dieses Stück heißt im Original Gorenjski slavček, übersetzt Die Nachtigall von Oberkrain. Weil man beim Durchschnittspublikum aber doch eher die Assoziation zu den Oberkrainern fürchten muss, heißt's in der Grazer Oper nun Die Nachtigall von Gorenjska. Der Komponist war Anton Foerster (1837-1926), ein deutschstämmiger Böhme, ein Schüler von Smetana. Der Berufsweg hat ihn nach Slowenien geführt, wo er das heimische Musikleben als Domkapellmeister, Komponist und Dirigent in Laibach/Ljubljana ein gutes halbes Jahrhundert lang beflügelte und prägte. Dass es keine slowenische Nationaloper gab, wo doch rundum in der Monarchie der Zeitgeist in diese Richtung der Identitäts-Ausprägung rief, hat er als Marktlücke entdeckt. So also ist Gorenjski slavček entstanden, zuerst (1872) als Operette, später (1896) zur Oper umgearbeitet.

Es ist das Siegerwerk eines nationalen Musiktheater-Wettbewerbs, bei dem bloß ein weiteres Werk eingereicht wurde (so drängend war das Bedürfnis nach einer slowenischen Nationaloper also nicht). Smetana saß in der Jury und konnte guten Gewissens das Werk seines ehemaligen Schülers hoch loben: Es ist eine Musik, die Takt um Takt einen Vollblutmusiker erkennen lässt, der sich auskannte in der Opernwelt und sozusagen das Beste von dort und aus der (nachempfundenen) Folklore seiner neuen Heimat zusammen brachte. Eine gut gearbeitete Partitur, geschickt instrumentiert, für die Vokalisten durchwegs anspruchsvoll, weil sie einen als volkstümlich sich ausgebenden Melodieduktus dann doch gegen oft volles Orchester durchsetzen müssen.

In Gorenjski slavček wird keine Braut verkauft, sondern eine Dame mit besonders schöner Stimme angekauft. Ein zufällig anwesender französischer Impresario hört sie und will sie flugs mitnehmen. Ohne amouröse Hintergedanken, sondern um ihre Stimme auszubilden. Dass die Mutter des Maidleins in Geldnot und der Impresario bereit ist, die Schuldensumme springen zu lassen, erleichtert die Entscheidung, aus der geliebten Heimat fortzuziehen. Der Gespons in spe ist arm dran, denn der ist gerade eben aus der Fremde heimgekehrt ins schöne Slowenien. Ohne Geliebte sind die Blumen, Vögel und Berggipfel dort gleich weniger anziehend. Aber keine Sorge, die Geschichte geht gut aus und beide bleiben im einzig lebenswerten Slowenien. Auch wenn die Dame mit der Nachtigallenstimme doch ein wenig zweifelt, ob es nicht anderswo auch gut wäre für sie...

Marko Hribernik, Künstlerischer Leiter des Slowenischen Nationaltheaters in Ljubljana, steht am Pult und holt das eben Mögliche aus der Partitur. Die ganz große Herausforderung ist das dramaturgisch zerbröselnde Finale, wo das Slowenentum zuletzt mit einem finalen Chor gar aufdringlich gepriesen wird, sogar mit G'stanzlsingen. Möglicherweise wäre die anderthalbstündige Oper fürs Ausland zu retten, würde man alle philologischen Bedenken beiseite schieben und kräftig streichend und retuschierend eingreifen. Der Grazer Opernchor tut sein Bestes und das Orchester ebenfalls. Janusz Kica (Regie) und Marko Japelj (Bühne) hüten sich vor Kitsch, auch Kostümbildner Leo Kulaš

mischt Tracht nur als eine Farbe in die Alltagskleidung.

Sieglinde Feldhofer ist Minka, die „Nachtigall“, eine dankbare Rolle für eine Operetten-Spezialistin. Für Franjo (deren Verlobter) bringt Roman Pichler unverkrampfte Höhen mit. Mareike Jankowski ist die Witwe Majda. Der französische Impresario mit dem netten Namen Chansonette (Markus Butter), Ekaterina Solunya als seine Frau Ninon, Wilfried Zelinka als etwas tollpatischer Verwalter Štrukelj, Martin Fournier als Schreiber Rajdelj – es mangelt nicht an karikierenden Buffo-Rollen.

So weit zu beurteilen, hat man der Sprache viel Augenmerk geschenkt. Es ist in Graz ja so, dass an einem Samstag halb Slowenien zum Einkaufen da zu sein scheint. Aber kein Grazer hat ein Wort Slowenisch im aktiven Wortschatz. Werden sich die Opernbesucher Gorenjski slavček merken?

Aufführungen bis 2. Mai – www.oper-graz.com
Bilder: Grazer Oper / Werner Kmetitsch