Lasst uns singen, lasst uns lachen

DONAU FESTWOCHEN GREIN / ZAIDE

08/08/23 Die Barockspezialistin Michi Gaigg weitet ihren Horizont schon längst in frühromantische Gefilde aus. 2019 etwa gab es auf Schloss Greinbrug Joseph Haydns L’incontro improviso. Heuer widmete sie sich genauso engagiert dem Zaide-Fragment von Wolfgang Amadé Mozart.

Von Horst Reischenböck

Im Ansatz folgt die Zaide dem Türkischem Sujet, doch auf anderer Schiene. Leider ist sie eine nicht zu abschließende Baustelle geblieben, bleiben Fragen offenbleiben: Handelt es sich doch bei dem unter KV 336b (344) hinterlassenem Singspiel-Ansatz um Mozarts umfangreichsten Torso mit nicht weniger als 75 Minuten voll eigentlich großartiger Musik. Zu bedauern ist, dass er die Arbeit daran wegen des willig für München übernommenen Idomeneo-Auftrags unterbrochen und nicht wieder aufgenommen hat.

Jedenfalls absolut wert einer Aufführung, obwohl szenisch auch noch das Problem fehlender Dialogen dazukommt. Dem wollte die Regisseurin Manuela Kloibmüller für die Produktion der Donau Festwochen mit einer Mixtur aus Texten von Italo Cavalho und Tobias Moretti beikommen, wobei nicht klar erkennbar wurde, was von wem stammt.  

Auf der von Isabella Reder minimalistisch eine Sandebene andeutenden Bühne, witterungsbedingt im Rittersaal aufgebaut, traten bei der Premiere am Samstag (5.8.) auf Schloss Grein nach einander die Protagonisten in heutigen Kleidern samt großen Tafeln mit Paragraphzeichen auf.

In Ermangelung einer Ouvertüre, die Mozart erst nach Abschluss vorabgestellt hätte, wählte Michi Gaigg dazu tonartlich angenähert den Kopfsatz der Sinfonie B-Dur KV 319, dem aber zusammen mit dem ihr willig folgenden L’Orfeo Barockorchester, passend zum nachfolgenden Drama, energisch nahezu jeden Anflug an Lieblichkeit austrieb.

Was indes absolut störte war, dass gleichzeitg über Lautsprecher unverständliche Worte drangen, die sich erst später als Unabhängigkeitserklärung der USA entschlüsseln sollten. Da praktizierte dann nämlich Erzählerin Barbara Novotny (mit an Katharina Thalbach gemahnendem Timbre) in diesem Zusammenhang unnötigen Geschichtsunterricht und erinnerte daran, dass die Deklaration drei Jahre vor Mozarts Komposition entstand. Gedanklich erinnertes sie sogar noch an die französische Revolution, inklusive angestimmter Marseillaise. Selbst wenn’s in Zaide um Freiheit und Befreiung geht, doch etwas gar weit hergeholt!

Auf den eigentlich von der Stimmung her danach doppelt deplatziert wirkenden fröhlichen Eingangs-Chor folgte das erste Melologo, das sich Mozart von Georg Anton Bendas Melodramen abgeschaut hat: Hier zeigt er, wie und das gesprochene Wort perfekt mit der illustrierenden Musik alternieren kann. Der Tenor Jakob M. Gerbeth als Sklave Gomatz bewies seine deklamatorischen Fähigkeiten ohne Verstärker und brillierte auch später dahinschmelzend in seinen Arien. 

Bei den übrigen Vokalisten waren Verbindungen zu Salzburg offenkundig. Sopranistin Ekaterina Krasko studierte am Mozateum bei den Professoren Holzmair und Wallnig. Erinnerte sie in Zaides zarter erster Arie Ruhe sanft noch an barockes da-capo, so begeisterte im zweiten Teil ausdrucksstark mit ihrem unmittelbar aufeinander folgenden Doppelpack von emotionaler Trostlosigkeit in wütenden Furor. Von Michi Gaigg fulminant sekundiert.

Des Sultans Lieblingssklave Allazim war bei Philipp Kranjc, Träger der Lili-Lehmann-Medaille der Stiftung Mozarteum, mit seiner fundamentalen Tiefe, fast eine Vorwegnahme des Sarastro, blendend aufgehoben.

Als adäquates Gegenstück zu ihm Sklavenhändler Osmin alias Stefan Zankl, Preisträger der Internationalen Sommerakademie Salzburg. Humorlos und von da her nicht zu verwechseln mit dem Diener selben Namens in der Entführung aus dem Serail.    

Zum Tenor Virgil Hartinger als Sultan Soliman fiel der Inszenierung im ersten Akt nichts Zwingendes ein. Er stand eher verloren wie ein gutmütiger Bär herum. Nach dem ihm zugedachten zweiten Melolog nach der Pause schmetterte er mit gewohnt gekonnt tenoralem Einsatz die beiden seine Seele bestimmenden Empfindungen Ich bin so bös‘ auch als gut in den Saal, ehe er wie ein Mafia-Boss, auf blutgetränkte Unterarme aufgestützt, dem Gesangs-Quartett seine unwegsame Ansicht Lass sie nur zugrunde gehen einfügte.

Kein Finale: Mozart fand wohl keinen Anknüpfungspunkt mehr und konnte, wollte Publikum kein deprimierend letales Ende zumuten, genauso aber auch keinen plötzlichen Deus ex machina, um das Ganze unerwartet in ein lieto fine zu drehen. So durfte Barbara noch ein letztes Mal Grimassen schneidend vor der Szene zur Dirigentin wuseln, um dann zum Schluss in den Anfangs-Chor einzustimmen. Motto: Lasst uns singen, lasst uns lachen! In diesem Sinn wurden alle Beteiligten nach zweieinhalb Stunden lebhaft bedankt.  

Weitere Aufführungen am 11., 12. und 13. August um 19 Uhr im Arkadenhof von Schloss Greinburg; bei Schlechtwetter im Rittersaal – www.donau-festwochen.at
Bilder: Donau Festwochen / Reinhard Winkler